Die vierte Hand
zuzumachen, obwohl Doris ihn darauf aufmerksam gemacht hatte, daß die aufgehende Sonne ihm direkt ins Fenster scheinen würde. Später nahm er, obwohl er noch schlief, unterbewußt das erste Dämmerlicht am Himmel wahr. Zu diesem Zeitpunkt fingen auch die Krähen zu krächzen an; selbst im Schlaf hörte er die Krähen deutlicher als die Seetaucher. Ohne es zu sehen, spürte er das zunehmende Licht.
Dann weckte ihn das Geschrei des kleinen Otto, und er lag einfach nur da, während Mrs. Clausen das Kind besänftigte. Der Junge beruhigte sich ziemlich rasch, machte aber immer noch Theater, während seine Mutter ihn wickelte. Aufgrund ihres Tonfalls und der unterschiedlichen Babylaute, die Otto von sich gab, konnte Wallingford erraten, was sie gerade machten. Er hörte Mrs. Clausen die Treppe hinuntersteigen; sie redete unentwegt weiter, während sie den Pfad zur Haupthütte hinaufging. Patrick entsann sich, daß das Fläschchen mit Mineralwasser angerührt werden mußte, das Mrs. Clausen auf dem Herd erhitzte. Er blickte zuerst in Richtung seiner fehlenden linken Hand, dann auf sein rechtes Handgelenk. (Er würde sich nie daran gewöhnen, daß er seine Uhr am rechten Arm trug.) Gerade als die aufgehende Sonne vom anderen Seeufer her durch sein Zimmerfenster flutete, sah er, daß es erst kurz nach fünf Uhr morgens war.
Als Reporter hatte er die ganze Welt bereist - Schlafentzug war ihm vertraut. Aber ihm wurde allmählich klar, daß Mrs. Clausen acht Monate Schlafentzug hinter sich hatte; es war kriminell von ihm gewesen, sie den größten Teil der Nacht wach zu halten. Daß Doris nur eine einzige kleine Tasche für sich selbst, aber mehr als ein Dutzend Taschen mit Babyutensilien mitgebracht hatte, war mehr als symbolisch - der kleine Otto war ihr Leben.
Welche Verrücktheit sprach daraus, daß er sich eingebildet hatte, er könne den kleinen Otto beschäftigen, während Mrs. Clausen Schlaf nachholte! Er wußte nicht, wie man das Kind fütterte; er hatte nur einmal (tags zuvor) gesehen, wie Doris die Windeln wechselte. Und das Baby aufstoßen lassen konnte er auch nicht. (Er wußte nicht, daß Mrs. Clausen den kleinen Otto nicht mehr aufstoßen ließ.)
Ich sollte den Mut aufbringen, in den See zu springen und mich zu ersäufen, dachte Patrick gerade, als Mrs. Clausen mit Otto junior auf dem Arm in sein Zimmer kam. Das Baby hatte nur eine Windel an. Doris trug lediglich ein T-Shirt in Übergröße, das wahrscheinlich Otto senior gehört hatte. Das T-Shirt war von verblichenem Green-Bay-Grün mit dem vertrauten Logo der Packers; es reichte ihr über die Oberschenkel bis fast zu den Knien.
»Jetzt sind wir putzmunter, was?« sagte Mrs. Clausen zu dem kleinen Otto. »Dann wollen wir mal zusehen, daß wir Daddy auch wach kriegen.«
Wallingford machte ihnen im Bett Platz. Er versuchte, ruhig zu bleiben. (Es war das erste Mal, daß Doris ihn als »Daddy« bezeichnet hatte.) Vor Morgengrauen war es so kühl gewesen, daß man sich hatte zudecken müssen, doch mittlerweile war das Zimmer von Sonnenlicht durchflutet. Mrs. Clausen und das Baby schlüpften unter das Decklaken, während Wallingford die Decke vom Fußende des Bettes auf den Boden stieß.
»Du solltest lernen, wie man ihn füttert«, sagte Doris und reichte ihm das Fläschchen. Otto wurde auf ein Kissen gelegt; seine strahlenden Augen folgten dem Fläschchen, als es weitergereicht wurde. Später setzte Mrs. Clausen Otto aufrecht zwischen zwei Kissen. Wallingford sah zu, wie sein Sohn eine Rassel in die Hand nahm, sie schüttelte und dann in den Mund steckte - nicht gerade eine faszinierende Folge von Ereignissen, doch der frischgebackene Vater war wie gebannt. »Er ist ein sehr pflegeleichtes Kind«, sagte Mrs. Clausen. Wallingford wußte nicht, was er sagen sollte.
»Warum liest du ihm nicht ein bißchen aus diesem Mäusebuch vor, das du mitgebracht hast?« fragte sie. »Er muß es ja noch nicht verstehen - es kommt auf den Klang deiner Stimme an. Ich würde es auch gern hören.«
Patrick stieg aus dem Bett und kam mit dem Buch zurück. »Schöne Boxer«, sagte Doris zu ihm.
Es gab bestimmte Stellen in Klein Stuart, die Wallingford angestrichen hatte, weil er glaubte, sie hätten vielleicht eine besondere Bedeutung für Mrs. Clausen. Wie Stuarts erstes Rendezvouz mit Harriet Ames schiefgeht, weil Stuart sich über die Zerstörung seines Kanus zu sehr aufregt, um Harriets Einladung zum Tanz anzunehmen. Leider verabschiedet sich Harriet »und ließ Klein
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