Die vierte Hand
versuchte sie es verkehrt herum.
»Es ist auf eine ganz bestimmte Weise aufgerollt«, sagte Wallingford. Doris lachte über ihren Fehler. Nicht nur streifte sie ihm das Kondom richtig über; sie hatte es auch so eilig, daß Patrick nicht mehr dazu kam, mit ihr zu reden. Mag sein, daß sie noch nie jemandem ein Kondom übergestreift hatte, doch die Art, wie sie sich rittlings auf ihn setzte, war Wallingford vertraut. (Nur daß er diesmal auf dem Rücken lag und nicht aufrecht auf einem Stuhl in Dr. Zajacs Praxis saß.) »Ich will dir noch was von wegen Treusein sagen«, sagte Doris, während sie sich, die Hände auf Patricks Schultern, auf und ab bewegte. »Wenn du mit der Monogamie ein Problem hast, dann sag es lieber gleich - halt mich lieber auf.«
Wallingford sagte weder etwas, noch hielt er sie auf. »Bitte schwängere niemanden mehr«, sagte Mrs. Clausen noch ernsthafter. Sie drückte mit ihrem ganzen Gewicht auf ihn; er hob ihr die Hüften entgegen. »Okay«, sagte er.
Das grelle Licht der Gaslaterne warf ihre sich bewegenden Schatten an die Wand, wo Wallingford das dunklere Rechteck aufgefallen war - jene Leerstelle, an der Otto seniors Bierposter gehangen hatte. Es war, als wäre ihre Vereinigung ein geisterhaftes Porträt, ihre Zukunft noch unentschieden.
Nachdem sie miteinander geschlafen hatten, tranken sie in Sekundenschnelle die Flasche Bier leer. Dann gingen sie nackt schwimmen, wobei Wallingford nur ein Handtuch für sie beide mitnahm und Mrs. Clausen die Taschenlampe trug. Sie marschierten hintereinander bis ans Ende des Steges im Bootshaus, doch diesmal bat Doris ihn, vor ihr die Leiter hinunter in den See zu klettern. Kaum war er ins Wasser eingetaucht, forderte sie ihn auf, unter dem schmalen Steg zu ihr zurückzuschwimmen.
»Schwimm einfach der Taschenlampe nach«, wies sie ihn an. Sie richtete den Strahl durch die Planken, beleuchtete einen der Stützpfähle, die im dunklen Wasser verschwanden. Der Pfahl war dicker als Wallingfords Oberschenkel. Mehrere Zentimeter über der Wasserlinie, knapp unterhalb der Planken des Stegs, fiel ihm neben einem waagerechten Brett etwas Goldenes ins Auge. Er schwamm näher heran, bis er direkt zu dem Ding aufblickte. Er mußte Wasser treten, um es sehen zu können. Ein Nagel war in den Pfahl getrieben worden; zwei Eheringe hingen an dem Nagel, der krumm geschlagen worden war, so daß sein Kopf im Pfahl steckte. Patrick machte sich klar, daß Mrs. Clausen hatte Wasser treten müssen, während sie den Nagel einschlug, dann die Ringe daran hängte, dann den Nagel krumm hämmerte. Auch für eine gute Schwimmerin, die recht kräftig war und zwei Hände besaß, war das keine leichte Arbeit gewesen.
»Sind sie noch da? Siehst du sie?« fragte Doris. »Ja«, antwortete er.
Wieder legte sie die Taschenlampe so hin, daß der Strahl auf den See hinauszeigte. Patrick schwamm unter dem Steg hervor in den Lichtstrahl, wo sie schon auf ihn wartete; sie ließ sich, die Brüste über der Wasseroberfläche, auf dem Rücken treiben.
Sie sagte nichts. Wallingford schwieg mit ihr. Er überlegte, daß das Eis eines Winters vielleicht besonders dick war; dann würde es vielleicht gegen den Steg drücken, und die Ringe gingen verloren. Oder ein Wintersturm fegte das Bootshaus weg. Wie auch immer, die Ringe waren dort, wo sie hingehörten - das war es, was Mrs. Clausen ihm hatte zeigen wollen.
Der Voyeur am anderen Seeufer hatte in seiner Hütte Licht brennen. Sein Radio lief; er hörte die Übertragung eines Baseballspiels, aber Patrick konnte nicht sagen, wer gegen wen spielte.
Sie schwammen zum Bootshaus zurück und konnten sich dabei sowohl an der Taschenlampe auf dem Steg als auch an den Gaslaternen orientieren, die aus den beiden Zimmerfenstern leuchteten. Diesmal dachte Wallingford daran, in den See zu pinkeln, damit er später nicht zu den Moskitos in den Wald gehen mußte.
Beide gaben sie Otto junior einen Gutenachtkuß, Doris löschte die Gaslaterne im Zimmer des Jungen und zog die Vorhänge zu. Dann machte sie auch die Lampe im anderen Zimmer aus, wo sie nackt und vom See noch kühl unter dem Decklaken lag, während ihr und Wallingfords noch feuchtes Haar kalt im Mondlicht schimmerte. Die Vorhänge hatte sie absichtlich nicht zugezogen; sie wollte früh aufwachen, vor dem Baby. In dem monderleuchteten Zimmer schliefen sie und Patrick sofort ein. In dieser Nacht ging der Mond erst kurz vor drei Uhr morgens unter. Sonnenaufgang war am Montag kurz nach fünf, aber Mrs.
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