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Die vierte Hand

Die vierte Hand

Titel: Die vierte Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Manuskript. Weil er den Zuhörern die linke Seite zuwandte, fiel sein unvollständiger Arm stärker auf, was einen Witzbold in der japanischen Presse veranlaßte, Patrick vorzuwerfen, er »reite seine fehlende Hand zu Tode«. In den westlichen Medien wurde seine fehlende Hand häufig als »Nichthand« oder »NonHand« bezeichnet.) Großzügiger denkende japanische Journalisten, die Patricks Eröffnungsrede beiwohnten - größtenteils seine männlichen Gastgeber -, nannten seine rhetorische Methode im linken Halbprofil »provokativ« und »unglaublich cool«.
    Die Rede selbst war ein Reinfall bei den hochqualifizierten Frauen, die an der Tagung teilnahmen. Sie waren nicht nach Tokio gekommen, um über ›Die Zukunft der Frau‹ zu reden und sich dann abgeschmackte Conferencierscherze von einem Mann anzuhören. »War es das, woran Sie gestern im Flugzeug geschrieben haben? Oder besser gesagt, zu schreiben versucht haben«, meinte Evelyn Arbuthnot. »Mein Gott, wir hätten doch zusammen auf Ihrem Zimmer essen sollen. Wenn das Gespräch auf Ihre Rede gekommen wäre, hätte ich Ihnen diese Peinlichkeit ersparen können.«
    Wie schon einmal verschlug es Wallingford in ihrer Gesellschaft die Sprache.
    Der Saal, in dem er gesprochen hatte, bestand aus Stahl in ultramodernen Grautönen. So ungefähr kam ihm auch Evelyn Arbuthnot vor - »aus Stahl in ultramodernen Grautönen«.
    Die anderen Frauen gingen ihm hinterher aus dem Weg; Wallingford wußte, daß es nicht nur an der Hundepisse lag.
    Selbst seine Kollegin in der Welt des Fernsehjournalismus, die schöne Barbara Frei, wechselte kein Wort mit ihm. Die meisten Journalisten, die Wallingford zum ersten Mal begegneten, äußerten zumindest eine gewisse Anteilnahme wegen der Geschichte mit dem Löwen, doch die unnahbare Barbara Frei machte deutlich, daß sie auf seine Bekanntschaft keinen Wert legte.
    Nur die dänische Romanautorin, Bodille oder Bodile oder Bodil Jensen, schien Patrick mit einem Schimmer von Mitleid in ihren unruhig umherhuschenden grünen Augen zu betrachten. Sie war auf eine irgendwie leidende oder bekümmerte Weise hübsch, so als hätte erst kürzlich jemand ihr Nahestehender - möglicherweise ihr Liebhaber oder ihr Mann - durch Selbstmord oder Mord geendet.
    Wallingford versuchte sich an sie heranzumachen, doch Ms. Arbuthnot schnitt ihm den Weg ab. »Ich habe sie zuerst gesehen«, sagte sie zu Patrick und steuerte schnurstracks auf Bodille oder Bodile oder Bodil Jensen zu.
    Dies beschädigte Wallingfords ohnehin angeknackstes Selbstbewußtsein noch weiter. War es das, was Ms. Arbuthnot gemeint hatte, als sie sagte, sie sei von sich selbst enttäuscht, weil sie sich zu ihm hingezogen fühle? War Evelyn Arbuthnot eine Lesbe?
    Nicht unbedingt darauf erpicht, jemanden kennenzulernen, während er so erbärmlich nach Hundepisse roch, kehrte Wallingford ins Hotel zurück, um auf seine sauberen Kleider zu warten. Er überließ es seinem Zweimann-Kamerateam, zu filmen, was immer neben den anderen Reden an diesem ersten Tag noch an Interessantem geboten wurde, darunter auch eine Podiumsdiskussion zum Thema Vergewaltigung. Als Patrick in sein Hotelzimmer zurückkam, hatte ihm die Direktion - als zusätzliche Entschuldigung für das »Verlegen« seiner Kleider - Blumen geschickt, und es warteten zwei Massagetherapeutinnen, zwei andere Frauen, auf ihn. Das Hotel spendierte ihm außerdem noch eine Massage. »Tut mil leid wegen Ihl steife Nacken«, sagte eine der neuen Frauen zu ihm.
    Es hörte sich ungefähr wie »Ihre Seife nackend« an, aber Wallingford verstand, was sie meinte. Er war dazu verurteilt, eine weitere Zwei-Frauen-Abreibung über sich ergehen zu lassen.
    Allerdings schafften es diese beiden, seinen steifen Nacken zu kurieren, und während sie noch damit beschäftigt waren, ihn in Gelee zu verwandeln, kamen seine Kleider vollzählig und sauber aus der Hotelwäscherei zurück. Vielleicht, dachte sich Patrick, markierte dies in seiner Japanerfahrung eine Wende zum Besseren.
    Angesichts des Verlustes seiner linken Hand in Indien, obgleich dieses Ereignis schon fünf Jahre zurücklag - angesichts dessen, daß philippinische Hunde auf seine Kleider gepißt hatten und er eine zweite Massage gebraucht hatte, um den von der ersten angerichteten Schaden zu beheben; angesichts dessen, daß er nicht gewußt hatte, daß Evelyn Arbuthnot lesbisch war, und angesichts seiner schrecklich unsensiblen Rede; angesichts dessen, daß er nichts über Japan und vermutlich noch

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