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Die vierte Hand

Die vierte Hand

Titel: Die vierte Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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und Evelyn - nicht, daß ihnen der Mangel an heißem Wasser etwas ausgemacht hätte; ein, zwei lauwarme Bäder taten es auch. Sie vögelten nonstop das ganze Wochenende lang und besuchten nur gelegentlich die Tempel, für die Kioto (anders als Patrick Wallingford) zu Recht berühmt war.
    Wie sich herausstellte, hatte Evelyn Arbuthnot gern viel Sex. In achtundvierzig Stunden... Nein, egal. Es wäre ordinär, zu zählen, wie oft sie es machten. Nur soviel sei gesagt, daß Patrick Wallingford am Ende des Wochenendes völlig fertig war, und als er und Evelyn mit dem über dreihundert Stundenkilometer schnellen Zug nach Tokio zurückfuhren, tat ihm so der Schwanz weh, daß er sich vorkam wie ein Teenager, der sich wund masturbiert hat.
    Was er von den Tempeln im Regen gesehen hatte, hatte ihm gefallen. Wenn man, von dem schrillen Gequäke ausgelassener japanischer Schülerinnen umgeben, bei prasselndem Regen in den riesigen Holzschreinen stand, kam man sich wie ein Gefangener in einem primitiven, trommelartigen Holzinstrument vor.
    Viele von den Mädchen trugen ihre Schuluniformen, was ihnen insgesamt die Monotonie einer Militärkapelle verlieh. Einige waren hübsch, aber die meisten nicht; außerdem hatte Wallingford speziell an diesem Nationalen Gebetswochenende für Mädchen (wahrscheinlich war das nicht die offizielle Bezeichnung) nur Augen für Evelyn Arbuthnot. Mit ihr zu schlafen gefiel ihm nicht zuletzt deshalb, weil es ihr so eindeutig Spaß mit ihm machte. Er fand ihren Körper, der keineswegs schön war, gleichwohl auf raffinierte Weise zweckmäßig. Evelyn benutzte ihren Körper wie ein gut durchkonstruiertes Werkzeug. Doch auf einer ihrer kleinen Brüste befand sich eine ziemlich große Narbe - die eindeutig nicht von einem Unfall stammte. (Sie war zu gerade und zu dünn; es mußte eine Operationsnarbe sein.) »Mir ist ein Knoten entfernt worden«, sagte sie, als er danach fragte.
    »Muß ein ziemlich großer Knoten gewesen sein«, sagte er.
    »War aber harmlos, wie sich herausstellte. Mir fehlt nichts«, erwiderte sie.
    Erst auf der Rückfahrt nach Tokio hatte sie begonnen, ihn ein wenig zu bemuttern. »Was willst du denn nun mit dir anfangen, Patrick?« hatte sie gefragt und ihn dabei an seiner einzigen Hand gehalten. »Mit mir anfangen?«
    »Du bist völlig verkorkst«, sagte sie zu ihm. Ihrem Gesicht sah er an, daß sie aufrichtig besorgt um ihn war.
    »Ich bin völlig verkorkst«, wiederholte er.
    »Jawohl, das bist du, und das weißt du auch ganz genau«, sagte sie. »Dein Beruf befriedigt dich nicht, aber was noch wichtiger ist, du lebst gar nicht richtig. Du treibst nur wie ein Schiffbrüchiger dahin, Lieber.« (Das »Lieber« war neu und behagte ihm nicht.)
    Patrick begann über Dr. Zajac und die Aussicht auf eine Handtransplantation zu schwafeln - die Aussicht darauf, nach fünf langen Jahren tatsächlich eine linke Hand zurückzubekommen.
    »Das meine ich nicht«, unterbrach ihn Evelyn. »Wen interessiert schon deine linke Hand? Das ist fünf Jahre her! Du kommst ohne sie aus. Du findest immer jemanden, der dir hilft, eine Tomate zu schneiden, oder du verzichtest eben auf die Tomate. Du bist ein schlechter Witz, aber nicht wegen deiner fehlenden Hand. Zum Teil liegt es an deinem Job, hauptsächlich aber daran, wie du dein Leben lebst!«
    »Ach so«, sagte Wallingford. Er versuchte, seine Hand ihrem mütterlichen Griff zu entziehen, aber Ms. Arbuthnot ließ ihn nicht los; schließlich hatte sie zwei Hände, mit denen sie seine einzige Hand fest gepackt hielt.
    »Hör mir zu, Patrick«, sagte Evelyn. »Es ist großartig, daß Dr. Sayzac dir eine neue linke Hand geben will -«
    »Dr. Zajac«, verbesserte Wallingford sie gereizt.
    »Dr. Zajac, meinetwegen«, fuhr Ms. Arbuthnot fort. »Ich will dir gar nicht absprechen, daß Mut dazu gehört, sich einem so riskanten Experiment zu unterziehen -«
    »Es wäre erst die zweite derartige Operation überhaupt«, teilte Patrick ihr, abermals gereizt, mit. »Die erste hat nicht geklappt.« »Ja, ja - das hast du mir schon gesagt«, erinnerte ihn Ms. Arbuthnot. »Aber hast du auch den Mut, dein Leben zu ändern?« Dann schlief sie ein, wobei sich ihr Griff um seine Hand lockerte. Wahrscheinlich hätte Wallingford seine Hand wegziehen können, ohne sie zu wecken, aber er wollte es nicht riskieren.
    Evelyn würde nach San Francisco fliegen, Wallingford nach New York zurückkehren. In San Francisco fand eine andere Tagung zu frauenspezifischen Themen statt, hatte

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