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Die vierte Hand

Die vierte Hand

Titel: Die vierte Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Wallingford.
    »Ich heiße Vlade«, sagte Vlad düster. »Das da ist mein Bruder. Wir schlagen bloß ein bißchen Zeit tot, bevor ich zur Arbeit gehe. Die Nachtschicht macht mir keinen Spaß mehr.«
    Patrick nickte dem nett wirkenden jungen Mann zu, der neben dem deprimiert wirkenden Doorman am Tresen stand. Er hieß Loren oder Goran, möglicherweise auch Zorbid; er war schüchtern und nuschelte seinen Namen.
    Doch als Vlad oder Vlade oder Lewis auf die Toilette ging - er hatte einen Preiselbeersaft mit Soda nach dem anderen getrunken -, vertraute der schüchterne Bruder Patrick an: »Er meint es nicht böse, Mr. Wallingford. Er ist bloß ein bißchen verwirrt. Er weiß nicht, daß Sie nicht Paul O'Neill sind, obwohl er es eigentlich doch weiß. Ich habe ehrlich geglaubt, nach der Geschichte mit dem Löwen würde er es endlich kapieren. Aber Pustekuchen. Die meiste Zeit sind Sie für ihn eben Paul O'Neill. Tut mir leid. Muß ziemlich lästig sein.«
    »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen«, sagte Patrick. »Ich mag Ihren Bruder. Wenn ich für ihn Paul O'Neill bin, ist das schon in Ordnung. Wenigstens bin ich aus Cincinnati weg.«
    Als Vlad oder Vlade oder Lewis von der Toilette kam, sahen sie beide ein bißchen schuldbewußt aus, wie sie da am Tresen saßen. Patrick bedauerte, daß er den normalen Bruder nicht gefragt hatte, wie der verwirrte Doorman richtig hieß, aber die Gelegenheit war vorüber. Der Doorman mit den drei Namen war zurück; er war nun eher wieder der alte, weil er sich auf der Toilette seine Uniform angezogen hatte. Er gab seine Alltagskleidung seinem Bruder, der sie dann in einem an der Fußstange lehnenden Rucksack verstaute. Patrick hatte den Rucksack bis jetzt nicht gesehen, machte sich nun aber klar, daß dies für die Brüder Teil einer Routineprozedur war. Wahrscheinlich kam der normale Bruder morgens wieder, um Vlad oder Vlade oder Lewis nach Hause zu bringen; er machte ganz den Eindruck eines gutherzigen Menschen. Plötzlich legte der Doorman den Kopf auf den Tresen, als wollte er auf der Stelle einschlafen. »He, nun hör aber auf - was soll denn das«, sagte sein Bruder liebevoll zu ihm. »Das muß nicht sein, schon gar nicht vor Mr. O'Neill.«
    Der Doorman hob den Kopf. »Manchmal hab ich es einfach satt, so spät zu arbeiten«, sagte er. »Bitte keine Nachtschichten mehr. Keine Nachtschichten mehr.«
    »Immerhin hast du Arbeit, oder?« sagte der Bruder in dem Versuch, ihn aufzuheitern.
    Wie durch ein Wunder - ganz plötzlich! - fing Vlad oder Vlade oder Lewis zu strahlen an. »Nicht zu fassen, Mann«, sagte er. »Ich tue mir leid, dabei sitze ich neben dem besten Rightfielder, den ich mir vorstellen kann, und er hat keine linke Hand! Und dabei schlägt er links und wirft links. Tut mir sehr leid, Mr. O'Neill. Vor Ihnen brauche ich mir nun wirklich nicht leid zu tun.«
    Natürlich tat sich Wallingford auch selbst leid, aber er wollte noch ein Weilchen Paul O'Neill sein. Es war der Beginn seiner Loslösung von dem alten Patrick Wallingford.
    Hier stand er, der Katastrophenmann, und kultivierte eine bestimmte Aura für die Cocktailstunde. Diese Aura war, wie der Löwenmann wußte, nur Theater, aber das Bitte-bemitleidet-mich war durchaus echt.

5
Ein Unfall am Super-Bowl-Sonntag
    Zwar hatte Mrs. Clausen Schatzman, Gingeleskie, Mengerink & Partner geschrieben, sie sei aus Appleton, Wisconsin, aber sie meinte damit nur, daß sie dort geboren war. Zur Zeit ihrer Ehe mit Otto Clausen wohnte sie in Green Bay, der Heimat des berühmten Profi-Footballteams. Otto Clausen war Packer-Fan; von Beruf war er Bierwagenfahrer, und der einzige Aufkleber, den er an seinem Laster duldete, war in Green-Bay-Grün auf goldenem Feld.
    PROUD TO BE A CHEESEHEAD!
    Otto und seine Frau hatten vorgehabt, am Samstag abend, dem 25. Januar 1998, in ihre Lieblingssportkneipe in Green Bay zu gehen. Es war der Abend der 32. Super Bowl, und die Packers spielten in San Diego gegen die Denver Broncos. Aber Mrs. Clausen hatte sich schon den ganzen Tag schlecht gefühlt; wie so häufig sagte sie zu ihrem Mann, sie hoffe, sie sei schwanger. Sie war es nicht - sie hatte Grippe. Sie bekam rasch Fieber und erbrach sich schon vor dem Kickoff zweimal. Beide Clausens waren enttäuscht, daß es keine Morgenübelkeit war. (Da sie erst zwei Wochen zuvor ihre Periode gehabt hatte, hätte sie, selbst wenn sie schwanger gewesen wäre, noch gar nicht unter Morgenübelkeit leiden können.)
    Mrs. Clausens Stimmungen waren leicht zu

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