Die vierte Schlinge: Thriller (German Edition)
sagen: fifty-fifty. Sie hat sich noch nicht entschieden, ob ihr diese Arbeit gefällt oder nicht. Sie haben sie einfach hierhergeschickt, wie du ja weißt, ohne zu fragen, ob sie das überhaupt will. Aber sie ist auch nicht anders als all die anderen Grünschnäbel, die ich bisher ausgebildet habe.«
»Und wie geht es dir?«, fragte Diane.
»Um mich brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Ich mache mich schon nicht selbst verrückt.«
»Ich sorge mich nicht um deine geistige Gesundheit. Ich will nur wissen, ob du hier zufrieden bist.«
David Goldstein war eines Tages einfach vor Dianes Tür aufgetaucht und hatte sie um eine Stelle gebeten. Das Massaker an ihren Freunden in jener Missionsstation in Südamerika hatte ihn ähnlich wie sie an den Rand des Wahnsinns getrieben. Er war völlig ausgebrannt gewesen und hatte keinen Ort mehr gehabt, wohin er hätte gehen können.
Diane hatte der Verlust ihrer kleinen Pflegetochter bei diesem Mordanschlag dermaßen mitgenommen, dass sie den Kummer der anderen über den Verlust ihrer Freunde überhaupt nicht mehr richtig mitbekommen hatte. David war völlig haltlos gewesen, als er in Rosewood ankam. Diane war froh, ihm wenigstens einen Job anbieten zu können, allerdings war sie dann ziemlich überrascht, dass er ausgerechnet im neuen Kriminallabor hatte arbeiten wollen.
»Bist du sicher, dass du das tun willst?«, hatte sie ihn gefragt. »Möchtest du nicht von all dem wegkommen, was wir dort haben sehen müssen?«
»Und wie ist das mit dir?«
Das war eine durchaus vernünftige Frage.
»Diane – du weißt doch, wie es war. Du stehst in diesen Betonräumen voller dunkler Flecken, von denen du weißt, dass es Blut ist, und dann schaust du auf die Fesseln und die schmutzigen, rostigen Tische, und du weißt, du kannst noch so viele Menschen befragen und noch so viele Aussagen bekommen, ohne dass einer von denen, die für all das verantwortlich sind, jemals vor Gericht erscheinen muss. Wir mussten doch froh sein, wenn eines dieser armen Schweine verhaftet wurde, die diesen Ort nur bewacht hatten.
Aber das hier ist ganz anders … Fast immer können wir die Mörder vor Gericht bringen. Ich muss das einfach tun. Mörder ihrer gerechten Strafe zuführen. Ich muss wissen, dass das, was ich tue, einen Unterschied macht.«
»Unsere Erfolgsrate da draußen war schon ein bisschen besser«, hatte Diane fast sich selbst zugeflüstert. Aber sie verstand sehr wohl, was er meinte. Fast nie waren sie bis zur Spitze der Verantwortungskette vorgedrungen.
»Ich bin schon okay«, sagte er schließlich. »Für mich ist es schön, in diesem Museum zu arbeiten. Wenn mich eine Untersuchung belastet, dann schaue ich mir Steine, Muscheln oder die großen Dinosaurier an. Das finde ich ausgesprochen beruhigend. Erinnerst du dich noch, wie Gregory immer diese wundervollen Gemälde, vor allem die Vermeers, anschauen wollte, wenn wir doch einmal in die Nähe eines Museums kamen? So ist das hier für mich.«
Gregory war ihr Chef bei World Accord International und Dianes ganz persönlicher Mentor gewesen. Er hatte immer postkartengroße Reproduktionen berühmter Bilder bei sich gehabt. Am liebsten waren ihm die Alltagsszenen Vermeers gewesen, die er stundenlang betrachten konnte.
Sie hatte dann sogar Gregorys Angewohnheit übernommen, sich schöne Kunstwerke anzuschauen, wenn sie von der grausamen Realität Abstand gewinnen wollte. Von daher verstand sie David sehr gut.
Auch für sie war das Museum zu einer Zufluchtsstätte geworden.
»Wie ist eigentlich diese neue Leichenbeschauerin des Nachbar-Countys?«
»Dr. Lynn Webber. Nett. Zuvorkommend.«
»Und das heißt?«
»Das, was ich gesagt habe. Sie scheint auch kompetent zu sein.«
»Du magst sie nicht, oder?«
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Das musst du auch nicht. Ich kenne diesen Ton in deiner Stimme.«
»Ich habe den Eindruck, dass sie immer der Star sein möchte.« Diane zögerte einen Moment. »Ich glaube, sie wird einen falschen Todeszeitpunkt feststellen. Sie hat kaum Erfahrungen mit Erhängungsfällen.«
»Und deswegen magst du sie nicht?«
»Ich habe nicht gesagt, dass ich sie nicht mag. Sie erinnert mich nur ein wenig an Leah.«
»Ein kleiner Springteufel, immer bereit, hochzugehen?«
Diane verzog das Gesicht. Sie hatte einige Zeit mit Leah in Südamerika zusammengearbeitet. Sie war eine kleine Primadonna gewesen, wenn auch eine sehr kompetente …
»Ich hätte besser nichts sagen sollen. Sie war wirklich sehr nett. Sie
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