Die vierte Schlinge: Thriller (German Edition)
konnte.
In der Brusthöhle gab es nur sehr wenige Insektenlarven, aber Diane konnte einige gute Proben im unteren Bauchraum finden.
»Jetzt können Sie mit dem Gehirn beginnen«, wies Lynn Raymond an. »Ich hoffe, es ist noch nicht vollkommen zu Mus zerfallen.«
Während Lynn die Organe untersuchte, erzählte ihr Diane von der so überraschend eingetroffenen Mumie.
»Also, die lag einfach so vor der Tür?«, lachte Raymond. »Das ist wirklich cool. Dr. Lynn, ich schneide jetzt den Hals auf, wenn Sie mir vielleicht … ach, nicht nötig, ich schaffe es auch alleine. Diese langen Hälse machen es einem wirklich ganz schön schwer, kann ich Ihnen sagen.«
»Also richten Sie jetzt doch noch eine Ägyptenabteilung ein?«, fragte Lynn.
»Vielleicht in einiger Zeit. Bis dahin müssen wir noch eine Menge Forschungsarbeit erledigen.«
»Oh, dieser Kamerad hier hatte einen Herzfehler«, sagte Lynn.
Diane schaute ihr über die Schulter auf das fast schwarz gewordene Herz, das Lynn gerade geöffnet hatte.
»Sehen Sie das hier?« Lynn zeigte mit dem Skalpell auf eine Herzklappe. »Er litt unter dem Mitralklappenprolapssyndrom«.
Sie wandte sich Diane zu. »Eigentlich müsste das sogar in seinen Knochen feststellbar sein.«
»Sie glauben, dass es mit einer Knochenanomalie einhergehen könnte?«
»Bei zwei Dritteln der Patienten mit einem solchen Herzfehler lässt sich ein solcher Zusammenhang feststellen.«
»Ob er wohl in ärztlicher Behandlung stand?«, fragte Diane.
»Sein Zustand ist nicht so schlimm, vielleicht hatte er kaum Symptome. Das ist sogar ziemlich häufig. Eventuell musste er Antibiotika einnehmen, wenn er sich einer Zahnbehandlung unterzog.«
Plötzlich war nur ganz kurz der durchdringende Ton einer Stryker-Knochensäge zu hören. Raymond agierte auch damit höchst geschickt. Allerdings war bei der Entfernung des Schädeldachs nicht der charakteristische Knalllaut zu hören, wie es bei einer frischen Leiche der Fall gewesen wäre.
»Ziemlich weich geworden«, sagte Raymond.
Aus den Augenwinkeln beobachtete Diane, wie er das gelatineartige Gehirn entfernte und es in ein mit Formalin gefülltes Gefäß legte.
Ganz allmählich bekamen sie immer mehr Informationen über die Opfer – Tätowierungen, Narben, ein Herzfehler. Es bestand die reelle Chance, dass alle diese Einzelheiten ihnen am Ende die Identität der Opfer offenbaren konnten.
Ganz gewiss vermisste jemand diese Leute, außer sie gehörten zu den verlorenen Seelen, der Klasse der Unsichtbaren, die niemals richtige gesellschaftliche Spuren hinterlassen und deshalb zu leichten Opfern für jeden Mörder werden.
Es war bereits 21 Uhr 30, als Diane nach dem Ende der dritten Autopsie mit ihren Proben für das Kriminallabor wieder in ihrem Museum eintraf. David war noch da und beschäftigte sich mit seinen Insekten.
»Ich habe die Wetterstation angerufen. In den letzten paar Monaten herrschte eigentlich immer das gleiche Wetter: heiß und trocken. Ich habe die Umgebung für meine Babys hier nachgestellt.« Er deutete auf seine Zuchtkästen.
»Hier sind noch ein paar Insekten. Larven und Käferteile.« Sie übergab sie ihm.
»Hast du etwas Neues entdeckt?«, fragte David.
Diane setzte sich auf einen Stuhl und streckte die Beine weit von sich. »Einiges. Im Moment sieht es so aus, als ob alle Opfer so um die zwanzig Jahre alt waren. Blau ist eine Frau und hat eine Schmetterlingstätowierung auf dem Knöchel. Grün ist männlich. Er hat keinen Blinddarm mehr, dafür aber einen Herzfehler. Nichts Ernstes. Rot ist eine weitere Frau. Sie hat einen eintätowierten Kolibri auf der rechten Seite ihres unteren Rückens und eine Rose auf der Oberseite ihrer linken Brust.«
»Gute Tätowierungen?«
Diane dachte einen Moment nach. »Ja, schon. Ziemlich aufwändig.«
»Also teuer.«
»Könnte sein.«
David fuhr mit der Hand durch das, was von seinen Haaren übriggeblieben war: ein dichter, lockiger Haarkranz, der um den ganzen Kopf herumreichte. »Das könnte hilfreich sein.«
»Hast du irgendwelche Fingerabdrücke gefunden?«, fragte ihn Diane. »Allen Opfern fehlten die Fingerspitzen.«
»Nein. Wir haben aber eine Stelle gefunden, wo eindeutig ein schweres Fahrzeug geparkt hat. Aus den Kabelspuren an den Ästen lässt sich schließen, dass die Körper mit einer Winde emporgehievt wurden.«
»Wie macht sich Neva? Jin sagte mir, du hättest sie zur Schlussbegehung mitgenommen.«
Er bewegte die Hand von einer Seite zur andern. »Man könnte
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