Die vierte Todsuende
Geschirrspüler untergebracht, und alles das mit anmutigen, aber durchaus sparsamen Bewegungen.
Sie trug heute schwarze Wolle — Pullover wie Rock —, das Haar aufgesteckt und mit einem exotischen Kamm aus Schildpatt gehalten. Als er sie im Profil sah, musste er von neuem die klassische Schönheit ihres Gesichtes bewundern - es wirkte wie perfekt aus Marmor geschlagen.
»Das wäre es denn ja wohl«, sagte sie munter und schaute in der schon wieder aufgeräumten und blitzblanken Küche umher. »Vielen Dank für Ihre Hilfe. Wollen wir zurückgehen?«
Er hielt sie mit einer Handbewegung zurück: »Einen Moment noch, wenn Sie erlauben. Ich glaube, Sie haben Anspruch darauf zu erfahren, wie es mit unseren Ermittlungen steht.«
Sie starrte ihn an, jetzt nicht mehr die liebenswürdige Gastgeberin, sondern die rachsüchtige Witwe. »Ja. Ich hatte schon gehofft, Sie würden von sich aus darauf kommen.«
Also setzten sie sich auf die geradlinigen Küchenstühle; weil die Tür nicht geschlossen war, hörten sie die gedämpfte Unterhaltung aus dem Wohnzimmer, ohne doch im einzelnen verstehen zu können, was gesagt wurde. Delaney setzte Mrs. Ellerbee ins Bild und Schloss:
»Kane und die Otherton scheiden nach meinem Dafürhalten aus. Damit sind noch vier der von Ihnen benannten Patienten übrig. Deren Alibis werden noch überprüft. Das dauert seine Zeit. Dumm ist, dass wir uns immer noch nicht erklären können, von wem die Fußabdrücke stammen.«
»Was soll denn das heißen?«
»Ihr Mann hat augenscheinlich zwei Besucher gehabt. Ob gleichzeitig oder nacheinander, wissen wir nicht. Noch nicht. Ich möchte Ihnen jetzt noch eine Frage stellen: Hat es Sie gewundert, dass Ihr Mann allen Patienten, die noch offene Rechnungen hatten, ihre Schulden erlassen hat?«
Sie schaute ihn im Dämmerlicht mit großen Augen an, den Mund leicht geöffnet:
»Woher wissen Sie denn das?«
Er erklärte geduldig: »Mrs. Ellerbee, wir untersuchen einen Mordfall. Und in einem solchen Fall muss alles als erheblich angesehen werden, bis bewiesen ist, dass es unerheblich ist. Selbstverständlich gehört dazu auch das Testament Ihres Mannes, denn es hätte ja einen Hinweis auf mögliche Tatmotive geben können. Waren Sie also überrascht davon, dass er ausstehende Honorare kurzerhand gestrichen hat?«
»Nein. Keinen Moment. Er war ein sehr großzügiger Mensch, das entsprach durchaus seinem Charakter.«
»Sie kannten den Inhalt seines Testamentes bereits vor seinem Tode?«
»Selbstverständlich. Er kannte auch mein Testament. Wir hatten voreinander keine Geheimnisse.«
» Sie hatten auch beide denselben Anwalt?«
»Nein, das nun nicht. Simon ließ sich von einem ehemaligen Kommilitonen beraten, den ich, offen gestanden, nicht leiden mochte. Ich habe meinen eigenen Anwalt.«
Delaney beließ es dabei. »Es ist ohnehin nicht von Bedeutung. Nur noch etwas, kennen Sie einen oder mehrere der für die Tat noch in Frage kommenden Patienten persönlich?«
»Was heißt kennen — ich bin vielen Patienten meines Mannes gelegentlich begegnet, meist zufällig und dementsprechend kurz. Haben Sie bei Ihrer Frage an jemand Bestimmten gedacht?«
»Ja. An Miss Joan Yesell.«
»Die mit dem Selbstmordversuch? Ja, der bin ich einmal begegnet. Warum fragen Sie?«
»Weil sie uns möglicherweise ein falsches Alibi untergeschoben hat. Welchen Eindruck hatten Sie von ihr?«
»Ich traf sie ja nur ganz flüchtig, da kann man sich kein Bild von einem Menschen machen. Ich fand sie nichtssagend, wenig attraktiv Ohne alles… sagen wir… Feuer? Aber es war, wie gesagt, eine ganz flüchtige Begegnung. Mein Mann machte uns miteinander bekannt. Weiter war nichts. Und jetzt lassen Sie uns lieber wieder nach nebenan gehen.«
Doch vorher legte sie ihm noch die Hand leicht auf den Arm.» Es ist sehr nett von Ihnen, dass Sie mich auf dem laufenden halten, Mr. Delaney«, sagte sie etwas heiser. »Ich weiß, wie sehr Sie sich bemühen, und Sie sollen wissen, dass ich Ihnen dafür sehr, sehr dankbar bin. «Er nickte und hielt ihr die Tür auf. Sie strich nahe an ihm vorbei, und er roch etwas von ihrem Duft: eine Spur Moschus, die ihn erregte.
Im Wohnzimmer hatten die anderen es sich unterdessen bequem gemacht und saßen ziemlich ermattet in den Polstern.
Delaney fand, es müsse etwas geschehen, und stellte deshalb an Mrs. Ellerbee ebenso wie an Dr. Samuelson die Frage: »Ist Ihnen nie der Gedanke gekommen, dass der Detektiv eine ähnliche Rolle spielt wie der Psychologe?
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