Die vierte Todsuende
City ansehen, so hatte er freie Bahn. Ganz besonders, was den Kühlschrank anging.
Er bereitete sich ein Supersandwich: dicke Scheiben geräuchertes Truthahnfleisch, gehackte saure Gurke und darüber eine neuentdeckte sogenannte Tigersauce auf sehr dunklem Roggenbrot. Die Sauce schmeckte zunächst süßsauer, aber gleich darauf entfaltete sie ihre Wirkung: Der Schweiß brach einem aus, und aus den Ohren quoll der Dampf. Dieses Sandwich und eine Flasche Tuborg nahm er mit an seinen Schreibtisch und verzehrte es bei der Arbeit.
Im Moment bewegte ihn am meisten die Frage, weshalb Mrs. Ellerbee auf erstes Befragen erklärt hatte, sie habe an ihrem Mann in jüngster Zeit keine Veränderung wahrgenommen, dann aber Tage später aus freien Stücken vorbeikam, um sich zu korrigieren. Doch, es sei ihr eine Veränderung in seinem Verhalten aufgefallen. Was mochte sie zu diesem Vorgehen bewogen haben?
Er brauchte eine gute halbe Stunde, um der Antwort näher zu kommen. Anhand seiner Protokolle stellte er fest, dass bei seinem ersten Telefongespräch mit der Praxishelferin Carol Judd dieser anheimgestellt hatte, sich durch einen Anruf bei Mrs. Ellerbee davon zu überzeugen, dass er, Delaney, wirklich mit den Ermittlungen in diesem Mordfall beauftragt worden war. Als er das Datum seines Besuchs bei Carol Judd mit dem von Mrs. Ellerbees Besuch bei ihm verglich, konnte er sich ausrechnen, was vorgegangen sein dürfte. Doch musste er Gewissheit haben, und weil er ein abergläubischer Mensch war, sagte er sich, er wolle es als gutes Omen nehmen, wenn er Carol Judd jetzt gleich telefonisch zu Hause erreichte. Und tatsächlich meldete sie sich. Sie bedankte sich gleich überschwänglich für den großartigen Lunch im ›English Pub‹ und fragte, wann er sie wieder einladen wolle?
Er lachte: »Es sieht ganz so aus, als schuldete ich Ihnen eine Menge Einladungen. Für heute habe ich nur eine ganz kleine Frage: Sie erinnern sich, dass ich bei unserem ersten Telefonat vorschlug, Sie könnten bei Mrs. Ellerbee rückfragen, ob Sie mit mir sprechen sollten?«
»Klar erinnere ich mich. Ich habe sie gefragt, und sie sagte, okay, sprechen Sie ruhig mit ihm.«
»Jetzt kommt die Preisfrage: Hat sie später bei Ihnen angerufen und gefragt, was ich von Ihnen wissen wollte?«
Sie überlegte: »Da muss ich erst mal… Wenn ich mich recht erinnere, hat sie am Tag darauf angerufen… sie suchte ja einen Job für mich… ja, richtig, darüber haben wir hauptsächlich gesprochen. Und dann… Sie haben recht, sie hat gefragt, was Sie von mir hätten wissen wollen.«
»Und Sie sagten unter anderem, dass ich gefragt hätte, ob ihnen im Verhalten ihres Mannes eine Änderung aufgefallen sei? Und wiederholten die Auskunft, die Sie mir gegeben haben?«
»Das weiß ich wirklich nicht mehr, es ist aber anzunehmen. War das falsch?«
»Aber gar nicht, es war sogar sehr richtig! Und das mit dem nächsten Lunch meine ich ganz ernst. Darf ich Sie anrufen?«
»Jederzeit mit Vergnügen!«
Er legte auf und lächelte kalt. Eine gerissene Person. Nicht Carol Judd, sondern Diane Ellerbee. Die hatte sich offenbar gesagt, dass er nach einer Veränderung im Verhalten ihres Mannes nicht nur Carol Judd befragen würde, sondern auch Joan Yesell und Sylvia Otherton, und dass er darauf ähnliche Auskünfte erhalten würde wie von Carol Judd. Und da ging es einfach nicht an, dass sie, die ihrem Mann immerhin am nächsten stand, eine so auffallende Veränderung nicht wahrgenommen haben wollte. Deshalb suchte sie diesen Schönheitsfehler auszubügeln, indem sie ihn, Delaney, höchstpersönlich aufsuchte und gestand, eine falsche Antwort gegeben zu haben: Jawohl, ihr Mann sei im letzten Jahr zunehmend wechselnden Stimmungen unterworfen gewesen.
Delaney konnte ihren Gedankengang sehr gut nachvollziehen; sie hatte einen Fehler gemacht und wollte die Scharte auswetzen. Das war verständlich, schließlich hatte ja sie den Hals in der Schlinge. Aber es war auch ein deutlicher Hinweis auf ihr Schuldbewusstsein. Vor Gericht war damit nichts anzufangen, doch als ein Indiz mehr kam es Delaney durchaus zustatten.
Eine weitere Frage bedurfte einer Antwort, und die konnte nur Parnell geben, der Kollege, der sich mit Wirtschaftskriminalität befasste. Den bekam Delaney allerdings erst nach einigem herumtelefonieren zu fassen. Er fragte ihn, ob er den Namen des Anwalts kenne, der Ellerbees Testament aufgesetzt und beim Nachlassgericht hinterlegt habe.
»Ja, nicht nur den Namen, ich
Weitere Kostenlose Bücher