Die vierte Todsuende
kenne den Burschen selber, wenn auch nur flüchtig. Was brauchen Sie denn?«
»Bloß das Datum, an dem Ellerbee sein Testament machte. Ich würde gerne wissen, wann er sich ausgedacht hat, seinen Patienten die ausstehenden Honorare zu erlassen.«
»Na, da will ich mal sehen. Der Bursche spielt samstags in seinem Club Squash, da kann ich ihn erreichen, Auf jeden Fall rufe ich Sie an, egal, wie es ausgeht.«
Delaney bedankte sich herzlich. Er sei den ganzen Tag daheim. Er holte eine zweite Flasche Tuborg aus der Küche und nuckelte gedankenverloren das Bier gleich aus der Flasche. Blieb noch zu klären, weshalb jemand, der Ellerbee so nahegestanden hatte wie Doktor Samuelson, nichts von einer Veränderung im Verhalten seines engsten Freundes bemerkt haben wollte.
Er las die entsprechende Stelle in Boones Bericht nach, und richtig, auf dessen diesbezügliche Frage hatte Samuelson wörtlich gesagt: »Nein, keinerlei Veränderung.«
Da stimmte doch was nicht. War es denkbar, dass Samuelson Beihilfe zu diesem Verbrechen geleistet hatte, gar Mittäter gewesen war? Das wollte ihm nicht in den Kopf. Immerhin … Er rief den Arzt an, der auch gleich den Hörer aufnahm. Auf die Frage, wie er sich befinde, erwiderte Samuelson: »Danke der Nachfrage, so lala. Heute früh hatte ich Patienten, und den Samstagnachmittag reserviere ich für die Lektüre von Fachzeitschriften und ähnlichem. Das ist Schwerarbeit.«
»Kann ich mir vorstellen. Ich meinerseits schwitze immer noch über der Mordsache Ellerbee, und in diesem Zusammenhang möchte ich Sie gerne noch etwas fragen. Morgen ist zwar Sonntag, aber ich möchte trotzdem, wenn Sie einverstanden sind, auf einen Sprung bei Ihnen vorbeikommen.«
»Das ginge ohne weiteres. Wann wollen Sie denn kommen?«
»Wäre zehn Ihnen recht?«
»Um zehn in meiner Praxis also.«
Das lief also auch. Delaney machte eine Schwenkung in seinem Drehstuhl. Er bedachte das Verhältnis zwischen Doktor Samuelson und Mrs. Ellerbee, vor allem im Lichte der Vorgänge, die er in Brewster beobachtet hatte. Und ihm fiel ein, dass Boones Frau auf der Rückfahrt gesagt hatte: »Ich glaube, er ist verliebt in sie.«
Hmmm. Man konnte das alles nachsehen. In Jasons Bericht über Samuelsons Hintergrund fand er, was er suchte: Der Arzt hatte vor einigen Jahren einen Zusammenbruch erlitten und war sechs Monate lang arbeitsunfähig gewesen. Daten anbei. Gott segne unseren Jason!
Das Datum der Eheschließung von Diane und Simone Ellerbee fand sich in deren Biographie. Samuelsons Zusammenbruch war fast genau zwei Wochen später erfolgt. Das war sehr interessant. Nichts, was als Gutschrift auf dem Konto erscheinen würde, aber immerhin, wieder ein kleines Stück des Puzzles, das mühelos an seinen Platz rutschte.
Er war noch immer in Gedanken mit der Beziehung zwischen Samuelson und Mrs. Ellerbee beschäftigt, als das Telefon klingelte, und bevor er sich noch melden konnte, hörte er schon Parnell lachen.
»Ich bin fündig geworden, Mr. Delaney. Der Bursche hatte gerade im Squash einen Gegner besiegt, auf den er es seit langem abgesehen hatte, und feierte das mit trockenen Martinis, er war also redseliger, als er hätte sein sollen. Was Sie interessieren dürfte, ist, dass Ellerbee sein Testament vor acht Jahren machte, dass aber die Klausel, seine Patientenhonorare betreffend, nachträglich eingefügt wurde, und zwar drei Wochen vor seinem Tod.«
»Glänzend. Parnell, Sie sind ein Schatz. Ich wünsche Ihnen und den Ihren ein gutes Neues Jahr.«
Wieder ein Stückchen vom Puzzle: Ellerbee erlässt Joan Yesell ihre Schulden drei Wochen vor seinem Tod — da dürfte der Zeitpunkt gewesen sein, an dem er seiner Frau eröffnete, er wolle sich scheiden lassen. War das nur Großmut gegenüber seiner neuen Geliebten, oder ahnte er schon, dass ihn diese neue Liebe das Leben kosten könnte?
Simon: »Diane, ich möchte mich scheiden lassen.«
Diane: »Eher bringe ich dich um!«
So etwa könnte es gegangen sein, die Frau war durchaus imstande, so zu antworten. Sie war auch imstande, glattzüngig zu lügen, wenn notwendig. Auf die Frage, ob sie von dieser speziellen Bestimmung im Testament ihres Mannes überrascht gewesen sei, hatte sie, ohne zu zögern, geantwortet: Nein, nicht im mindesten, der Inhalt des Testamentes sei ihr bekannt gewesen. Und das, so überlegte Delaney, war nun ganz gewiss gelogen.
Immer noch tief in Gedanken wanderte er in die Küche, band eine lange weiße Schürze vor, auf der man lesen konnte
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