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Die vierte Todsuende

Die vierte Todsuende

Titel: Die vierte Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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ausgelatschten Laufschuhen. Das Haar war so kurz geschnitten, dass die Kopfhaut rosig durchschimmerte. Die dunklen Augen blickten ausdruckslos, doch seine Miene wirkte liebenswert und arglos.
    »Manche Leute sind nun mal so. Die wollen einem weh tun«, sagte er.
    »Tut Ihnen irgendwer weh, Mr. Kane?« fragte Delaney.
    »Manche versuchen es, aber ich lasse sie nicht. Ich schlage sie, und dann hören sie auf. Gemeine Menschen mag ich nicht.«
    »Hat Dr. Simon Ihnen jemals weh getan?«
    »Überhaupt nicht, er war… er war nett… und wir… wir haben geredet und…« Er wollte wiederum mehr auf einmal sagen, als er vermochte, und geriet neuerlich ins Stottern. Die beiden Männer warteten geduldig, aber danach kam nichts mehr.
    »Nun, es wird Zeit für uns. Es hat uns sehr gefreut, Mr. Kane«, sagte Delaney. Er betrachtete sich die Schuhe des Jungen und sagte: »Ich hoffe, Sie haben Überschuhe? Draußen schneit es nämlich.«
    »Das macht mir nichts aus«, versicherte Kane. »Ich wohne gleich um die Ecke.«
    Sie verabschiedeten sich mit Händedruck. Delaney und Boone kamen beim Ausgang an einem jungen Mädchen vorbei, das auf dem Boden hockte und sich an die Wand lehnte. Sie sah ausgesprochen verwahrlost aus, blickte aus glasigen Augen vor sich hin und sagte leise: »Oink, oink.«
    »Die hat uns durchschaut«, sagte Boone draußen.
    »Total hinüber«, bestätigte Delaney grimmig. »Was die wohl schießt?«
    Boone hatte den Wagen auf der 80. Straße in der zweiten Reihe abgestellt und das Schild Polizei im Dienst angeheftet, und tatsächlich hatte sich das für diesmal bewährt: Seine Radkappen waren noch dran. Sie stiegen ein, ließen Motor und Heizung an und schauten ein Weilchen ins Schneetreiben hinaus.
    »Der arme Kerl ist nicht ganz da«, bemerkte Boone.
    »Stimmt«, sagte Delaney nachdenklich. »Man kann aber nie wissen. Es scheint doch, dass er ziemlich flink mit den Fäusten ist, wenn er meint, jemand will ihm was.«
    »Und wie sollte Ellerbee das wohl gemacht haben?«
    »Vielleicht hat er eine Frage zu viel gestellt. Denkbar wäre es.«
    »Was wollten Sie denn mit den Überschuhen?«
    »Ich dachte an die unidentifizierten Fußabdrücke auf Ellerbees Teppich.«
    »Herr im Himmel«, rief der Sergeant, voll Zorn auf sein kurzes Gedächtnis, »die hatte ich doch total vergessen!«
    »Nun ja, wir wissen aber immer noch nicht, ob Kane welche besitzt. Gesagt hat er nur, dass er keine braucht. Na, wir sollten wohl besser bei mir daheim auf Suarez warten; er wollte gegen Mittag anrufen, und ich habe so das Gefühl, dass er pünktlich ist.«
    »Glauben Sie, dass er sich mit Thorsen abstimmt, Sir?«
    »Selbstverständlich, Sergeant. Ich an seiner Stelle würde Thorsen ungefähr folgendes sagen: ›Delaney verlangt sechs Leute mehr. Ich habe nichts dagegen, möchte ihm aber keine von meinen geben, denn das verlangsamt meine eigenen Ermittlungen in diesem Fall. Deshalb schlage ich vor, Sie stellen sechs andere für ihn ab‹.«
    »Und Sie glauben, Thorsen lässt sich darauf ein?«
    »Klar! Was bleibt ihm denn übrig?«
    Wegen des verstärkten Autoverkehrs vor Erntedank und des anhaltenden Schneetreibens brauchten sie fast eine halbe Stunde bis zur East Side. Boone parkte auf dem Platz, der dem 25. Revier vorbehalten war, und stellte wieder sein Schild gegen die Windschutzscheibe. Von dort trampelten sie durch den Schnee zum Haus von Delaney.
    »Wie wäre es mit einem Sandwich«, schlug dieser vor. »Wir haben Roastbeef, süßsaure Gurken, schöne Zwiebelchen. Auch Rettich ist da. Was halten Sie davon, Sergeant?«
    »Eine Menge, Sir. Und heißer Kaffee dazu wäre nicht übel.«
    Delaney breitete alte Zeitungen über die Platte des Küchentisches, und beide Männer mampften ihren Lunch.
    »Sie sagten doch, Suarez' Leute haben sich vier von den Patienten auf unserer Liste schon vorgenommen«, begann Delaney.
    »Ja, vier. Sie haben die Alibis für die Tatzeit nachgeprüft. Bei der Otherton und bei Gerber waren sie heute Vormittag noch nicht angelangt.«
    »Na, wir müssen das sowieso noch mal machen. Bekommen wir die neuen Leute, kann sich jeder einen Patienten vornehmen. Außerdem will ich selbst mit allen persönlich sprechen. Was bedeutet, dass entweder Sie oder Jason mich mitnehmen müssen — wegen der Hundemarke.«
    »Jason sagt, heute Abend ist er mit seinen Ausgrabungen fertig. Er wird Sie anrufen.«
    »Gut. Ich möchte, dass Sie dann da sind. Heute Nachmittag nehmen wir uns die Otherton vor. Da rufen wir nicht vorher

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