Die vierte Todsuende
erster Eindruck ist, es wirklich mit Verrückten zu tun zu haben, das darf Sie aber nicht verführen, diese Leute zu unterschätzen. Vergessen Sie nicht, dass sehr wahrscheinlich einer von diesen schlau, durchtrieben und entschlossen genug war, Doktor Ellerbee ins Jenseits zu befördern und dabei bislang unentdeckt zu bleiben.«
Benjamin Calazo, der Uraltbulle, hob seine fleischige Hand. »Ich würde gern Isaac Kane übernehmen, Sir. Ich habe einen behinderten Bruder. Er ist ein lieber Junge, es steckt nichts Böses in ihm, aber wie Sie schon sagten, Sir, er braucht Geduld und Einfühlungsvermögen. Ich habe mir im Lauf der Zeit beides angewöhnt, und wenn es Ihnen recht ist, Sir, würde ich, wie gesagt, diesen Kane gerne übernehmen.«
»Das ist mir sogar sehr recht. Hat sonst noch jemand einen diesbezüglichen Wunsch?«
Keisman, der ›Spielverderber‹, meldete sich: »Wenn keiner den Vietnamveteranen haben will — Gerber heißt er, glaube ich -, dann möchte ich den nehmen. Ich komme mit diesen Leuten im allgemeinen sehr gut aus.«
»Er gehört Ihnen«, verfügte Delaney. »Nur, geben Sie acht, der Junge könnte gefährlich sein. Sonst noch Wünsche?«
Niemand äußerte sich, und es begann die Zuteilung. Ein Arbeitsplan wurde aufgestellt, Telefonnummern ausgetauscht und dafür gesorgt, dass jeder jeden zu jeder Zeit irgendwie erreichen konnte, entweder unmittelbar oder durch Hinterlassen einer Nachricht.
Boone wählte für sich die Detektive Calazo, Konigsbacher und Venable, Jason bekam den Pfeifenraucher Estrella, ferner Keisman, und Timothy Hogan, einen kleinen, untersetzten Glatzkopf. Delaney ordnete an, täglich einen Bericht zu verfassen, so komplett wie nur möglich.
»Ich verlange, dass dieser Bericht alles enthält, einfach alles, so unbedeutend oder auch blödsinnig Ihnen manches vorkommen mag. Falls Sie auf etwas stoßen, was Ihnen wichtig erscheint, setzen Sie sich sofort mit Jason oder Boone in Verbindung. Klappt das nicht, rufen Sie mich an, egal, zu welcher Tages- oder Nachtzeit. Und jetzt ab. Die Fährte wird mit jedem Tag kälter, und im Präsidium will man den Fall unbedingt so schnell wie möglich klären. Falls Sie einen Wagen brauchen, Unterstützung, besondere Ausrüstung oder dergleichen, sagen Sie mir Bescheid.«
Er verabschiedete alle mit Handschlag, und zusammen mit Boone und Jason verließen sie das Haus. Delaney räumte die Stühle weg und leerte die Aschenbecher. Dann wollte er Suarez anrufen, bekam ihn aber nicht an den Apparat, weil er in einer Sitzung war. Er bat um Rückruf.
Endlich setzte er die Brille auf, steckte sich eine Zigarre an und legte mit Hilfe des von Boone gelieferten Namenverzeichnisses eine Liste seiner neuen Hilfstruppe an, die sich folgendermaßen las:
Abteilung Boone:
1. Ross Konigsbacher. Klotziger Kerl, blonder Schnauzer, schlägt gern zu. Alte Narbe über linker Augenbraue.
2. Benjamin Calazo. Erfahrener alter Streifengänger. Weißes Haar. Schwere Pranken mit Altersflecken auf dem Handrücken. Hat Isaac Kane gewählt.
3. Helen Venable. Klein, untersetzt, rotbraunes Haar, sehr eifrig, tiefe Stimme.
Abteilung Jason:
1. Brian Estrella. Lange Latte. Pfeifenraucher. Linkshänder. Großer Adamsapfel.
2. Robert Keisman — ›Spielverderber‹. Schwarz. Schlank. Elegant. Trägt Schulterhalfter. Wählt Harold Gerber.
3. Timothy Hogan. Bullig. Glatzkopf. Große Ohren. Nikotinbraune Finger. Winselnde Stimme.
Delaney überlas, was er da geschrieben hatte, und richtig, er konnte sich jeden einzelnen mühelos ins Gedächtnis rufen; sie erschienen als Individuen vor seinem geistigen Auge. Das hatte er bezweckt. Die Liste verwahrte er im obersten Schreibtischschubfach. Später konnte er die Leistung eines jeden auf dieser Liste festhalten. Gut möglich, dass der eine oder andere nach Abschluss der Ermittlungen einen positiven Vermerk in seine Personalakte bekam.
Nach einigem Kramen brachte er senkrecht liniierte Papierbogen zum Vorschein, wie sie von Buchhaltern benutzt werden. Die vierzehn vorhandenen Rubriken boten ihm genügend Platz für die Erstellung eines Ablaufplans der Ereignisse zur Tatzeit.
Oben notierte er die Namen, in die äußerste linke Kolumne die Stunden, angefangen mit 16 Uhr und endend mit dem Zeitpunkt des Auffindens der Leiche, mit 1 Uhr 54.
Das war öder Papierkram, aber nicht zu umgehen. Er musste zu diesem Zweck seine Protokolle vornehmen, die Aussagen der Beteiligten, Ellerbees Unterlagen. Und trotzdem würden die Zeitangaben
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