Die vierte Todsuende
Suche nach Ellerbees Mörder einfach einstellen?«
»Nun spielen Sie doch nicht den Querkopf. Sie wissen genau, was ich meine. Die Akte Ellerbee wird selbstverständlich nicht geschlossen, aber ich kann nicht mehr so viel Personal dafür abstellen. Und Suarez übernimmt wieder seine Reviere — wenn er Glück hat.«
»Ich verstehe.«
»Ah, was ich noch sagen wollte, machen Sie sich darauf gefasst, dass Ellerbees bei Ihnen anrufen, die Witwe und der Schwiegervater. Die bin ich bloß losgeworden, indem ich sagte, bei Ihnen läge die Ermittlung in den allerbesten Händen.«
»Da bin ich Ihnen aber aufrichtig dankbar, Ivar«, sagte Delaney ironisch. »So habe ich mir unsere Zusammenarbeit immer vorgestellt.«
»Das dachte ich mir.« Thorsen lachte. »Sie hören wieder von mir.«
»Diese Mühe würde ich mir an Ihrer Stelle nicht machen«, knurrte Delaney.
Tatsächlich riefen beide Ellerbees an. Beide waren gereizt, als das Gespräch begann, und noch gereizter, als es endete. Delaney versprach nämlich nichts. Er sagte, er verfolge mehrere Spuren, doch sei eine ernstlich tatverdächtige Person bislang nicht in Erscheinung getreten, und es bleibe nach wie vor viel zu tun.
»Und wann erwarten Sie endlich einen Durchbruch?« wollte Henry Ellerbee wissen.
»Keine Ahnung.«
»Und wann glauben Sie, werden Sie den Mörder endlich gefunden haben?« wollte Mrs. Ellerbee wissen.
»Keine Ahnung«, beschied Delaney auch sie.
Die drei Anrufe irritierten ihn so sehr, dass er in Versuchung geriet, sich mit einem Sandwich zu trösten, doch widerstand er mannhaft. Statt dessen nahm er sich zum x-ten-mal die Akten vor.
Zweck der Übung war es, sich die geringsten Kleinigkeiten einzuprägen. In diesem Stadium der Ermittlungen durfte er sich nicht verleiten lassen, einiges für wichtig, anderes für unwichtig zu halten. Alles, buchstäblich alles war von Bedeutung oder konnte es doch sein, die Verstümmelung von Ellerbees Augen durch Hammerschläge ebenso wie die spiritistischen Versuche von Miss Otherton.
Plötzlich fiel ihm ein sonderbares Zusammentreffen auf. Das Opfer war ›geblendet‹ worden und Othertons Ouija-Brett hat ›blind‹ buchstabiert. Hatte das nun was zu bedeuten? Ihm war, als versinke er immer tiefer in einer irrationalen Welt, die von Ellerbees Patienten bewohnt wurde.
Er saß jetzt vor einer Sammlung unzähliger Tatsachen, Vermutungen, vager Gerüchte, und täglich wurden es mehr. Detektivische Arbeit konnte jetzt nur darin bestehen auszuwählen. Seine Augen schmerzten bereits, als Jason mit Keisman anrückte und ihm eine willkommene Pause verschaffte.
Delaney hörte sich aufmerksam an, was Keisman zu berichten hatte. Als er geendet hatte, blickte Delaney ihn forschend an. »Wie schätzen Sie das ein?« fragte er den Schwarzen. »Könnte es stimmen, oder war er bloß betrunken und hat angeben wollen?«
»Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen, Sir. Für möglich, ja sogar für wahrscheinlich halte ich es aber, denn der Kerl ist wirklich total wahnsinnig.«
»Bislang haben wir zehn falsche Geständnisse im Fall Ellerbee. Die Leute von Suarez haben jedes einzelne nachgeprüft, und jedes hat sich in Luft aufgelöst. Lauter Verrückte, Leute, die in die Zeitung und ins Fernsehen kommen wollten. Aber dieses könnte womöglich echt sein.«
»Sollen wir ihn verhaften?« fragte Jason.
»Lieber nicht. Stellt sich nämlich heraus, dass er es nicht war, ist Keismans Kontakt zu ihm wertlos. Gerber wird sich ausrechnen können, wer ihn hat hochgehen lassen.«
»Stimmt«, pflichtete Keisman bei. »Und der Gedanke, dass dieser Amokläufer es auf mich abgesehen haben könnte, ist mir überhaupt nicht lieb.«
»Dann müssen Sie die Sache selber aufklären. Stellen Sie fest, ob er Freitagabend am Tatort war. Ob er bestellt war. Ob er der berühmte späte Patient war. Wie er hingekommen ist, mit dem Bus, mit der U-Bahn, mit einem Taxi. Er weiß wahrscheinlich, dass Ellerbee mit einem Treibhammer erschlagen wurde, denn Boone hat ihn gefragt, ob er einen hat, und er sagte nein. Fragen Sie also, woher er den Hammer hatte, und prüfen Sie das nach. Fragen Sie, wo er den Hammer gelassen hat, nachdem er Ellerbee ermordete, und prüfen Sie auch das nach. Fragen Sie, wie oft er zugeschlagen hat, und wie Ellerbee gefallen ist — aufs Gesicht oder auf den Rücken. Und dann fragen Sie ihn, ob er irgendwas mit der Leiche gemacht hat. Die Medien wissen immer noch nichts von den Augenverletzungen, das kann nur der Mörder
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