Die vierte Todsuende
schimmerten.
»Raus mit der Sprache, Mrs. Bellsey. Machen Sie sich nicht unglücklich! Er ist an jenem Abend doch weggegangen, nicht wahr?«
»Ich weiß nicht«, wimmerte sie. »Was heißt ›weiß nicht‹?« Keine Antwort.
»Muss ich Sie denn wirklich festnehmen? Wegen Beihilfe? Sie in Handschellen zum Haus herausführen, mit Nutten und Junkies zusammen in eine Zelle sperren? Also los, was heißt, Sie wissen es nicht?« »Ich hatte Migräne, ich habe mich zeitig zu Bett gelegt.« »Wann?«
»Ich glaube, so gegen halb neun.«
»An dem Freitagabend, an dem Ellerbee umgebracht worden ist?« »Ja.«
»Ihr Mann war hier?« »Ja.«
»Sie gingen ins Schlafzimmer.«
»Ja.«
»Haben Sie die Tür zugemacht?« »Ja. Er saß vor dem Fernseher.«
»Haben Sie geschlafen?«
»Meine Medizin habe ich genommen. Und die macht mich schläfrig.«
»Also schliefen Sie?«
»Mehr dösen war das als Schlaf.«
»Wann standen Sie wieder auf?«
»Gegen elf. Ich ging ins Bad.« Dabei wich sie seinem Blick aus.
»Um elf also. War Ihr Mann da anwesend?«
»Ganz bestimmt«, behauptete sie fest, »da habe ich ihn gesehen.«
»Aber zwischen halb neun und elf haben Sie ihn nicht gesehen.«
Nun fing sie zu weinen an, kleine Tropfen rannen über ihre Wangen.
»Bitte«, sagte sie mit erstickter Stimme, »schreien Sie mich nicht an.«
»Antworten Sie gefälligst auf meine Frage, sonst nehme ich Sie fest.«
»Nein«, schrie sie verzweifelt, »zwischen halb neun und elf habe ich ihn nicht gesehen!«
Hab ich ihn also erwischt, dachte Hogan befriedigt.
Er fuhr wiederum in die 18. Straße in der Hoffnung, dass Bellsey unterdessen nicht entwischt war. Zum Glück stand der weiße Cadillac noch da. Hogan parkte in der Nähe, so dass er den Eingang im Auge behalten konnte. Er pinkelte in einen leeren Milchkarton, den er zu diesem Zweck stets dabei hatte, wenn er jemand beschatten musste.
Da saß er nun Stunde um Stunde, wurde hungriger und hungriger und verfluchte sich dafür, dass er nichts zu essen besorgt hatte. Seine Zigaretten gingen ebenfalls zu Ende, und der Lump war immer noch nicht erschienen.
»Was kann er da bloß machen?« sagte er laut vor sich hin, und vor seinem geistigen Auge erschienen all die Herrlichkeiten, über die Bellsey in seiner Firma gebot: Steaks, Koteletts, Geflügel. Vor Hunger wurde ihm fast schwindelig. Mehrmals nickte er ein, aber wenn er mit einem Ruck zu sich kam, sah er den weißen Cadillac immer noch an seinem Platz stehen. Hogan blieb hartnäckig. Er hielt sich wach, indem er im Geiste - soweit möglich - noch einmal die Befragung von Bellseys Frau rekapitulierte und sich ausdachte, wie er seinen Bericht schreiben wollte; am besten war wohl eine kleine Akzentverschiebung, weg von seinen Grobheiten und hin zu einer Betonung der Raffinessen seiner Vernehmungstechnik.
Es war fast neun — die Straßenbeleuchtung brannte längst —, als Bellsey in Begleitung zweier Männer aus dem Gebäude kam. Sie waren augenscheinlich sehr aufgekratzt, und Hogan fragte sich, ob sie wohl getrunken hatten. Endlich setzte Bellsey sich in seinen Wagen und fuhr los. Hogan folgte ihm die 8. Avenue hinauf, und weil er ihn im dichten Verkehr nicht verlieren wollte, hielt er sich nahe hinter ihm. Schließlich hatte er stundenlang auf ihn gelauert und war dabei fast Hungers gestorben.
An der 53. Straße bog Bellsey links ab und durchfuhr ein menschenleeres Viertel, wo ein Lagerhaus sich ans andere reihte, Richtung Fluss. Hogan musste notgedrungen etwas zurückbleiben. Er war völlig ratlos. Wo will der Kerl bloß hin? dachte er. Der Cadillac bog in die 11. Avenue ein und rollte langsam zwei Häuserblocks weiter, dann parkte Bellsey.
Eine wirklich tolle Gegend, fand Hogan — vorausgesetzt, man hatte die Prämien seiner Lebensversicherung pünktlich gezahlt.
Er beobachtete, dass Bellsey eine Kneipe betrat, und trotz der mangelhaften Straßenbeleuchtung konnte er das Schild entziffern: Zum Walfischschwanz. Reizend. Warum hieß es nicht gleich ›Mobys Schwanz‹?
Er stellte den Wagen ab und näherte sich dem Lokal. Die Fenster waren dank des drinnen herrschenden Qualms fast undurchsichtig. Es sah aus wie eine Seemannskneipe. Wer hier einen Martini mit Olive bestellt, den schmeißen sie raus, überlegte Hogan. So'ne Sorte Bums ist das.
Er wusste nicht, sollte er im Wagen warten, bis Bellsey rauskam? Sollte er hineingehen oder einfach aufgeben und heimfahren? Zu einem Entschluss brachte ihn dann ein Schild, auf dem mehrere
Weitere Kostenlose Bücher