Die vierte Zeugin
Titel:
Die vierte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Tanja u.a. Kinkel
,
Oliver Pötzsch
,
Martina André
,
Peter Prange
,
Titus Müller
,
Heike Koschyk
,
Lena Falkenhagen
,
Alf Leue
,
Caren Benedikt
,
Ulf Schiewe
,
Marlene Klaus
,
Katrin Burseg
näher nach Clewin dem Seemann gesucht? Zu viele Dinge passen nicht zueinander, und wenn Sophie und ich Beweise finden für unseren Verdacht, dass machtvolle Hintermänner sich ein Urteil gekauft haben und Richter Hauser dementsprechend das Verfahren manipuliert hat, können wir den Schuldspruch für nichtig erklären.« Augustin war während seiner Rede auf und ab gegangen und hatte immer hitziger gesprochen. Nun hielt er inne, verschränkte die Hände mit dem Stock hinter dem Rücken und blickte Agnes mit festem Blick an. »So etwas treibt mir die Galle hoch. Ich habe die Rechtswissenschaften studiert, weil es Gerechtigkeit für jeden Menschen geben muss, ob arm oder reich. Es geht nicht um Schuld oder Unschuld, es geht um die Frage, ob damals wissentlich und auf Betreiben Dritter geltendes Recht gebeugt und gebrochen wurde. Deshalb interessiert mich Euer Fall. Ja, und genau deshalb halte ich es für nötig, dass Ihr Euch wieder dort hinaus in die Löwengrube wagt.« Er wies mit dem Gehstock auf die Bruchsteinmauer und in Richtung Köln. »Und auch wenn Ihr dieses Leben nicht mehr wollt, so solltet Ihr dennoch den Wunsch Eurer Tochter respektieren. Ihr könntet ihr viele Mühen und Sorgen ersparen. Denn wenn wir erfolgreich sind, muss sie nicht mehr auf dem Berlich unter Huren und Bettlern wohnen. Dann kann sie wieder in die
Wolkenburg
ziehen und ihr Leben dort aufgreifen, wo es aufhörte, als ihr ausziehen musstet, obwohl weder Ihr noch Euer Kind daran schuld wart.« Augustin sah Sophie dabei warm an und lächelte so innig, dass sie errötete und für einen Moment die Augen niederschlug.
Agnes’ Blick wanderte von Augustin zu Sophie und zurück. »Ich glaube, ich verstehe Eure Gründe nur zu gut …« Sie saß jetzt kerzengrade und gar nicht mehr müde auf der Bank und runzelte die Stirn. Doch sie wirkte der Bitte nicht zugeneigter als zuvor. »Sophie, ich bin erschöpft. Bitte geht und lasst mich nun allein.«
»Aber Mutter …«
Doch Agnes zögerte nicht. Sie erhob sich, nickte Augustin kurz zum Abschied zu, schritt durch den Klostergarten in Richtung des grauen Gemäuers und war bereits in der Pforte verschwunden, als sich Sophie endlich besann und ihrer Mutter nacheilte.
Sie fand Agnes in ihrer kargen Zelle und half ihr, den Habit abzulegen. »Ich verstehe deine Ablehnung nicht. Vertraust du Augustin nicht?«, fragte sie seufzend.
Agnes setzte sich auf ihr Bett und fuhr sich mit einem Holzkamm durch das bis zum Kinn kurz geschnittene Haar. »Im Gegenteil, Sophie, ich vertraue ihm sehr.«
»Und warum schenkst du ihm dann keinen Glauben? Er will nur unser Bestes. Wenn jemand uns helfen kann, dann er. Wäre das nicht wunderbar?«
»Ich traue es ihm zu, ja. Er mag tatsächlich beweisen können, dass das Urteil durch falsche und gekaufte Gründe festgelegt worden ist, doch er kann mich nicht von meiner Schuld freisprechen. Das ist nicht dasselbe. Es wird uns nicht unser altes Leben und unser Ansehen zurückbringen.«
Sophie setzte sich neben sie und nahm ihr den Kamm aus der Hand, damit sie ihr aufmerksamer zuhören konnte. »Mutter, ich will nicht mein altes Leben zurück. Ich will ein neues, besseres, und das wird mir die
Wolkenburg
geben. Und dir auch. Hat dich Vater noch so sehr im Griff, dass du dich nach wie vor nicht dort hinwagen willst?«
Der alte Stolz kehrte in Agnes’ Züge zurück. Sie sah verärgert auf. »Natürlich nicht. Andreas hatte mich nie im Griff. Glaubst du, sonst hätte er mir all diese Dinge antun müssen?« Sie lächelte abfällig. »Nein, noch als er gelebt hat …« Doch sie schloss schnell den Mund und beendete den Satz nicht.
»Noch als er gelebt hat, was?«, fragte Sophie verwirrt. »Ich bin alt genug für die Wahrheit!«
Agnes nickte zögerlich. »Ich habe deinen Vater betrogen. Mit Richard Charman. Ich dachte, ich könne ihm vertrauen. Ich habe Richard geliebt, doch er hat mich nur benutzt, um mich auszuhorchen.«
Sophie schluckte. »Also stimmte es, was Cousine Gerlin vor Gericht aussagte?«
»Ja. Ich habe es immer abgestritten, doch sie hatte Recht. Als Andreas … dein Vater … es erfuhr, ist er so wütend geworden, wie ich es noch niemals zuvor erlebt habe.«
Sophie erinnerte sich an den Ausruf des Vaters – »Du hast dich ihm verkauft!«. Das also war der Grund gewesen, warum er sie beide in den Keller gesperrt und dort beinahe hatte verhungern lassen! »Wer weiß noch davon?«, fragte sie leise.
»Gerlin natürlich. Und der gute Erzbischof Adolf von
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