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Die vierte Zeugin

Die vierte Zeugin

Titel: Die vierte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja u.a. Kinkel , Oliver Pötzsch , Martina André , Peter Prange , Titus Müller , Heike Koschyk , Lena Falkenhagen , Alf Leue , Caren Benedikt , Ulf Schiewe , Marlene Klaus , Katrin Burseg
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selbst vernahm, versetzte sie ihn in eine längst vergangene Zeit.
    In eine Zeit, die über zwanzig Jahre zurücklag.
    Hier, direkt am Neumarkt, waren die Gebäude bunt getüncht und mehrere Stockwerke hoch. Der Schnee lag zu dieser Jahreszeit, drei Wochen vor Heiligabend, knöcheltief in den Straßen und bedeckte menschlichen Unrat und fauliges Gemüse ebenso wie Schlamm und zu harten Eisbällen erstarrte Pferdeäpfel. Einige wenige geschäftige Händler in dicken Pelzmänteln eilten wortlos an Augustin vorbei. Die Luft war klar und kalt und ließ die Narbe an seiner Wange höllisch jucken.
    Das Haus des Richters lag an der Ecke einer schmucken, gepflasterten Gasse; ein imposantes zweistöckiges Gebäude mit einem Vorgarten, in dem sich ein paar Weiden unter der Last des Schnees bogen. Anmutige Marmorstatuen führten links und rechts einer breiten Treppe hinauf zum Eingangsportal, über dem ein Relief eingelassen war, das Justitias Waage darstellte. Von einem Zimmer im Inneren des Gebäudes erklang gedämpftes Flötenspiel.
    Augustin von Küffen nickte grimmig und rieb sich die Narbe. Dieses Gebäude war eindeutig zu prächtig, selbst für einen Kölner Richter. Viel Geld musste beim Kauf geflossen sein. Dass das Anwesen just nach dem damaligen Fall der Agnes Imhoff in den Besitz Hausers übergegangen war, bestärkte seinen Verdacht. Das ganze Gebäude roch förmlich nach Bestechung.
    Angestrengt lauschte der Anwalt. Doch bis auf die Flötenklänge war kein Geräusch zu hören, kein Diener ließ sich blicken, und so stieg Augustin von Küffen, gestützt auf seinen Gehstock, die Stufen empor und klopfte an das mächtige Portal.
    Nichts rührte sich, nur das Flötenspiel brach ganz plötzlich ab.
    »Heda, ist jemand daheim?«
    Augustins Stimme verlor sich im verschneiten Garten, niemand antwortete.
    »Meister Hauser, seid Ihr da?«
    Mit einem Mal glaubte Augustin ein Knacken irgendwo hinter den Weiden zu hören. Als er sich umwandte, wippte ein Zweig und kleine Schneeflocken fielen zu Boden. Augustins Herz begann unwillkürlich schneller zu schlagen.
    Wurde er etwa beobachtet? Und wenn ja, von wem?
    Argwöhnisch ließ er seinen Blick über den Garten schweifen, konnte aber nichts Auffälliges entdecken. Wahrscheinlich war es doch nur ein verfrorener Vogel gewesen, den die Schritte aufgeschreckt hatten. Im Haus selbst blieb es weiter still.
    Augustin schüttelte den Kopf und versuchte, seine Enttäuschung hinunterzuschlucken. Hieronymus Hauser war seine letzte Hoffnung. Alle übrigen Spuren, die er in den letzten Tagen und Wochen verfolgt hatte, waren bisher im Sande verlaufen. Sein einstiger Mentor Mathis von Homburg war schon vor fünf Jahren gestorben, dessen ehrgeiziger Nachfolger hatte die alten Akten vernichtet. Auch die ehemaligen Schöffen Helffman, Hoss, Engelhardt und Gottfried waren allesamt verschieden und konnten nicht mehr über den damaligen Prozess berichten. Richter Hauser war Augustins letzte Hoffnung, auch wenn es hieß, der Alte sei seit einigen Jahren nicht mehr recht bei Sinnen und außerdem fast blind.
    Plötzlich kam Augustin alles so aussichtslos vor. Warum hatten er und Sophie nach über zwanzig Jahren diesen Fall noch einmal aufgerollt? Ein ganzes Menschenalter war inzwischen vergangen! Was hatte ihn, verflucht nochmal, nur so weit getrieben? War es pure Eitelkeit gewesen, weil er den Fall am Ende doch noch gewinnen wollte? Oder versuchte er nur, die junge Sophie zu beeindrucken, die ihn auf seltsame Weise anzog?
    Weil sie ihn an jemanden erinnerte? An jemanden, der schon lange tot war?
    Augustin biss sich auf die Lippen und versuchte, die düsteren Erinnerungen zu verdrängen. Doch immer wieder sah er Sophies Gesicht vor sich, ihre wachen Augen, die dunklen Brauen; es war, als würde er in einen Tümpel blicken, der ihm seine eigene Vergangenheit zeigte.
    Wieder war ein Knacken hinter den Weidenzweigen zu hören, doch gerade als Augustin sich danach umdrehen wollte, ertönte endlich eine tiefe Stimme von jenseits des Eingangs.
    »Verdammt nochmal, kommt endlich herein, von Küffen! Nur keine Scheu. Ich habe bereits auf Euch gewartet.«
    Augustin zuckte zusammen. Dann drückte er die Klinke, und das hohe Eingangsportal schwang quietschend auf.
    Im Haus schien es noch kälter zu sein als draußen. Hinter der Tür schloss eine hohe, mit rotem Brokat bedeckte Halle an, die schließlich in ein gewaltiges, beinahe drei Schritt hohes Gemach überging. Auf Tischen aus feinstem Nussholz standen

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