Die vierte Zeugin
Titel:
Die vierte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Tanja u.a. Kinkel
,
Oliver Pötzsch
,
Martina André
,
Peter Prange
,
Titus Müller
,
Heike Koschyk
,
Lena Falkenhagen
,
Alf Leue
,
Caren Benedikt
,
Ulf Schiewe
,
Marlene Klaus
,
Katrin Burseg
Schaumburg, mein damaliger Vertrauter. Er warnte mich davor, dass Richard mich nur benutzen wollte und ich meine eigenen Interessen wahren müsste. Er hat mir aufgezeigt, was für einen Fehler ich begangen hatte – vor Gott wie vor mir selbst. Er hat mich zur Vergebung des Herrn geleitet. Und ich hoffe, ich habe auch deine.«
»Du brauchst meine Vergebung nicht. Deine Tat bedeutet mir nichts. Vater hat dich stets schlecht behandelt. Und du bist nicht aus fleischlicher Lust in die Arme eines anderen Mannes gelaufen, sondern weil du jemanden brauchtest und du ihn geliebt hast.«
Die Mutter sah mit einem Mal sehr zerbrechlich aus. Sie musterte Sophie und legte dann ihre Finger in die Hand der Tochter. »Wir werden kämpfen müssen, Sophie, wie die Löwen. Man wird uns diesen Sieg nicht schenken, denn es gibt zu viele Leute, die etwas zu verlieren haben. Ich … ich weiß nicht, ob ich die Kraft dazu noch habe.«
»Aber die
Wolkenburg
und der
Kleine Ochse
– mit beidem hätten wir wieder ein schönes Leben.«
»Ich sehne mich nicht in jenes Leben zurück, Sophie. Ich habe meinen Frieden mit Gott gemacht.«
»Dann lass es mir«, bat Sophie. »Wenn wir gewinnen, dann kannst du noch immer entscheiden, ob dir Gott nicht auch vergibt, wenn du wieder in der
Wolkenburg
wohnst und dein Geld mit den Bedürftigen teilst, wie du es früher schon getan hast. Augustin sagte, du kannst mich mit deiner Rechtsnachfolge betrauen. Dann musst du nicht selbst kämpfen, ich werde es für dich tun! Er muss bloß ein Schreiben aufsetzen, unter das du dein Zeichen setzt.«
»Dein Augustin hat an alles gedacht, was?«
»Er ist Advokat und er ist sehr gut in dem, was er tut«, erwiderte Sophie stolz.
Die Mutter lächelte. »Glaubst du, er wird dir bis zum Schluss beistehen?«
Sophie strahlte. »Ja, das wird er.«
Sophies Gefühle waren in Aufruhr, als sie den Beginenkonvent eine Stunde später mit Augustin verließ. Gemeinsam betraten sie die lange Straße. Sie ließ die Finger ihrer linken Hand über die raue Bruchsteinmauer gleiten, die rechte legte sie staunend auf die Dokumententasche, in der die von ihrer Mutter unterzeichneten Papiere lagen – jene Papiere, mit denen ihr gerade die Rechtsnachfolge für die Familienangelegenheiten übertragen worden waren. Augustin hatte das Schreiben schon in der Tasche gehabt, für den Fall, dass die Mutter einwilligen würde. Jetzt konnte er damit beginnen, Einsicht in die alten Gerichtsakten zu nehmen, um herauszufinden, ob sich hier Beweise für eine Bestechung finden ließen.
»Wollen wir nicht zum Gerichtshaus?«, fragte Augustin erstaunt, als sie an der Brücke links abbog. »Ich möchte gleich in die Archive schauen. Und den Richter will ich auch endlich befragen – wir müssen ihn mit unserem Verdacht konfrontieren.«
Sophie ergriff seine Hand. »Gleich. Ich möchte nur einen kleinen Umweg machen, ja?«
Sie führte ihn in die Sternengasse hinein, um die sie seit Jahren einen großen Bogen gemacht hatte. Vor dem schmuckvollen Haus mit den Zierschnitzereien an den Balken und dem grazilen Vordach blieb sie stehen. Da stand sie, ihre
Wolkenburg
!
Wie viele Stunden hatte sie oben unter dem Dach zugebracht. Eingezwängt in eine Gabel des Gebälks, hatte sie aus der Dachluke gestarrt und sich fort in den Himmel gewünscht, von Rittern in schimmernden Rüstungen geträumt, von wilden weißen Pferden, von holden Jungfrauen und davon, dass am Ende immer alles gut würde.
»Mach dir keine vorschnellen Hoffnungen«, bat Augustin und drückte ihre Hand leicht. »Wir stehen erst am Anfang. Wir können nur hoffen, dass wir etwas finden.«
Sophie erwiderte den Druck und lächelte ihn an. »Ich weiß. Aber immerhin können wir hoffen.«
KAPITEL 19
Dezember 1555
A ugustin von Küffen hörte das Lied, lange bevor er das Haus des Richters sah.
Es war eine leise, klagende Melodie, die über die Buden am Neumarkt hinweg zu ihm herüberwehte, wie der Duft eines teuren Parfums. Jetzt im Dezember waren die meisten Stände bereits am späten Nachmittag leer und verlassen, ein eisiger Wind fegte über den Platz und trug den modrigen Geruch des nahe gelegenen Rheins mit sich. Als Augustin eine der wenigen noch verbliebenen Marktweiber nach Hieronymus Hauser gefragt hatte, hatte diese ihm grinsend zu verstehen gegeben, er müsse nur den Flötentönen folgen. Der Anwalt hatte die alte Vettel nicht für voll genommen und war kopfschüttelnd weitergegangen, doch nun, als er die altertümliche Melodie
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