Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die vierte Zeugin

Die vierte Zeugin

Titel: Die vierte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja u.a. Kinkel , Oliver Pötzsch , Martina André , Peter Prange , Titus Müller , Heike Koschyk , Lena Falkenhagen , Alf Leue , Caren Benedikt , Ulf Schiewe , Marlene Klaus , Katrin Burseg
Vom Netzwerk:
Ursel nicht mehr ganz bei sich ist, hast du ja selbst erlebt«, hob Sophie an und rückte eine Hand breit von Augustin ab. »Sie erinnert sich kaum noch daran, was damals geschehen ist, oder besser gesagt: nur ab und an.«
    »Bedauerlich«, murmelte Augustin. »Aber ich hatte schon befürchtet, dass sie uns nichts Brauchbares mitteilen kann.«
    Sophie nickte. »Ja, ich auch.« Und nach einer kurzen Weile fügte sie hinzu: »Sie sagte nur, ein Zimmermann namens Rudolf Urban hätte ihr damals erzählt, er habe beobachtet, wie ein Mann in bester Gewandung kurz vor Prozessbeginn bei Richter Hauser aufgetaucht sei. Er war anscheinend der Meinung, dass das erkläre, warum der Prozess so verlaufen ist.«
    »Wen hat dieser Zimmermann denn gesehen?« Augustin machte ein nachdenkliches Gesicht.
    Sophie seufzte. »Das ist es ja. Das Wichtigste hat Ursel vergessen, wenn es überhaupt von Belang war. Ist es damit vorbei? Bislang haben wir noch nichts gefunden, das uns weiterhilft, oder?«
    »Ich habe inzwischen in Erfahrung bringen können, dass der Richter sein neues Haus nur wenige Wochen nach Prozessende bezogen hat. Alles fügt sich zusammen. Und doch haben wir keinerlei Beweise.« Augustin schürzte bedauernd die Lippen.
    Sophie verstummte. Anfangs zögerlich, hatte sie in den letzten Tagen mehr und mehr Hoffnung gewonnen, dass sie mit ihren Nachforschungen wirklich etwas finden würden, das der Mutter aus dem Konvent heraus und zurück in die
Wolkenburg
zum alten Besitzstand verhelfen würde. Sie hatte früher so gerne Menschen um sich gehabt und Feste gefeiert. Sophie wollte sie wieder so fröhlich sehen wie damals.
    »Andererseits …« Augustin runzelte die Stirn.
    Sophie blickte ihn fragend an und versuchte, in seinen Zügen zu lesen. »Was denkst du?«
    »Die Suche im Archiv hat bisher nichts ergeben, aber vielleicht habe ich nur an der falschen Stelle nachgesehen? Was, wenn – nur einmal angenommen – dieser Mann dem Richter etwas gebracht hätte. Einen Brief vielleicht, eine Anweisung? Vielleicht sogar Geld? Oder hat der Richter selbst jemandem Anordnungen gegeben? Warum weigerte sich mein Mentor damals so vehement, den Fall mit gewohntem Scharfsinn zu vertreten? Irgendetwas muss doch zu finden sein! Ich schätze, uns bleibt nichts anderes übrig, als offiziell bei Gericht auch Einsicht in die Verschlusssachen zu fordern, in diejenigen Akten, die nicht jedermann zugänglich sind. Ich wollte diesen Schritt eigentlich erst tun, wenn wir einen Ansatzpunkt haben, wonach wir suchen müssen. Aber so bleibt uns keine Wahl. Wir dürfen nichts unversucht lassen, Sophie.«
    »Bei Gericht …«, wiederholte Sophie eingeschüchtert. »Das bedeutet, dass alle Welt Kunde davon erhalten wird, dass wir den Fall neu bearbeiten, oder?«
    »Ich fürchte schon. Und deine Mutter muss den Antrag stellen.«
    Sophie legte bedrückt die Hände ineinander. »Ich glaube wirklich nicht, dass sie das tun wird. Sie hat mit diesen Dingen abgeschlossen, das habe ich doch schon gesagt.«
    Augustins Gesicht verdüsterte sich. »Dann endet unsere Reise hier. Möchtest du das? Nicht, dass du dir hinterher Vorwürfe deshalb machst.«
    Sophie zögerte, dann sah sie auf und fasste Augustins Hand. »Aber ich brauche deine Hilfe. Ich allein vermag das nicht. Ich kenne sie. Dir hat sie immer vertraut.«
    Er nickte. »In Ordnung.«
    »Dann machen wir uns bei Tagesanbruch auf den Weg zum Konvent.« Sophie schloss für einen Moment dankbar die Augen und lächelte Augustin warm an. Alles würde gut werden – vorausgesetzt, es gelänge ihnen, die Mutter zu überzeugen. Und bevor sie wusste, was sie tat, hatte sie Augustin einen Kuss auf die Wange gehaucht.

    »Nein, Sophie. Niemals.« Agnes Imhoff schüttelte nachdrücklich den Kopf. Das Haar war von einem weißen Schleier bedeckt, der Rest des Körpers verschwand unter einem wallenden dunklen Gewand.
    Sophie blickte Augustin, der sich bislang schweigend zurückgehalten hatte, verzweifelt an. Er stand mit über dem Silberknauf seines Gehstocks gefalteten Händen an der Bruchsteinmauer, die den Garten des Beginenkonvents von der lebhaften Straße trennte. Keiner der beiden hatte den flüchtigen Kuss der letzten Nacht angesprochen. Doch Sophie hatte den Eindruck, dass Augustin sich seitdem ausgesprochen sanft und umsichtig ihr gegenüber verhielt – so als wäre sie ein kostbares Stück Glas, das bei falscher Handhabung zerbrechen könnte. Und er berührte sie des Öfteren, nur flüchtig zwar, doch so, dass sie

Weitere Kostenlose Bücher