Die vierte Zeugin
Titel:
Die vierte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Tanja u.a. Kinkel
,
Oliver Pötzsch
,
Martina André
,
Peter Prange
,
Titus Müller
,
Heike Koschyk
,
Lena Falkenhagen
,
Alf Leue
,
Caren Benedikt
,
Ulf Schiewe
,
Marlene Klaus
,
Katrin Burseg
Intrige wirklich von ganz oben eingefädelt wurde, dann dürften die Mächtigen eigentlich das Interesse an uns verloren haben, denn der Prozess hat seinen Zweck als Präzedenzfall längst erfüllt.«
»Aber wer sollte dann den Mörder geschickt haben?« Sophie schien zu frösteln. Sie zog den Pelz dicht an ihren Körper.
Augustin wiegte den Kopf. »Es ist noch zu früh für Vermutungen, aber ich habe eine Ahnung. Gib mir noch ein wenig Zeit.« Er zog sie nah an sich heran. »Und jetzt lass uns aufhören, immer nur an das Schlimme zu denken. Ich finde, du hast diesen warmen Pelz schon viel zu lange für dich alleine gehabt.«
Er schlüpfte zu ihr unter die Decke und nahm sie fest in den Arm. Während sie sich kichernd zurücklehnte und ihren Hals zum Kuss anbot, fuhr ein kalter Windstoß durch den Raum. Eines der vorderen großen Fenster stand plötzlich einen Spalt weit offen.
Frühling und Sommer waren über Köln gekommen, nun färbten sich die Blätter an den Bäumen jenseits der Stadtmauern bereits wieder rot und gelb. Die Mühlen der Bürokratie mahlten langsam, doch sie mahlten, und schließlich waren Agnes Imhoff und ihrer Tochter das Haus
Wolkenburg
sowie die Schenke
Zum kleinen Ochsen
zugesprochen worden. Auch eine Witwenrente hatte Augustin von Küffen für Agnes bei der Tuchhändlergilde erwirkt, so dass die einstige Händlergattin zwar bescheiden, aber nicht ärmlich in dem großen Haus leben konnte.
Hieronymus Hauser war mittlerweile gestorben. Ein Bote hatte Agnes noch einige Tage zuvor einen Brief überbracht, in dem der Richter sich für den Prozess entschuldigt hatte. Damals sei es darum gegangen, ein veraltetes Gesetz zu reformieren; dass man Agnes Imhoff damit großes Unrecht zugefügt hatte, bereue er zutiefst. Ganz offenbar wollte Hieronymus Hauser mit einem reinen Gewissen vor den obersten aller Richter treten.
Die Hochzeit fand Anfang September des Jahres 1556 im Kölner Dom statt.
Agnes Imhoff hatte eigens hierfür einige der teuren Möbel verkauft, so dass genug Geld für die anschließenden Feierlichkeiten vorhanden war. Halb Köln schien sich in dem großen Empfangssaal der
Wolkenburg
zu versammeln, Musikanten spielten, es wurde getanzt, gelacht und fässerweise erlesener Rheinwein getrunken. Große Teile der Tuchhändlergilde, ja der gesamten Patrizierschaft waren anwesend, ganz so, als wäre Agnes Imhoff nie weg gewesen. Von der Verwandtschaft waren auch Gerlin Metzeler, ihr Mann Hannes und deren mittlerweile erwachsenen Kinder geladen. Ein Entschluss, der Agnes schwergefallen war, doch sie wollte einen Schlussstrich ziehen unter die letzten zwanzig Jahre.
Augustin stand hinter einer der Säulen und beobachtete von dort aus unbemerkt das Geschehen. Die alte Händlerwitwe genoss es sichtlich, wieder im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses zu stehen. Lächelnd prostete sie von ihrem Platz an der Tafel den reich gekleideten, tuschelnden Damen zu, nahm Glückwünsche entgegen und schielte gelegentlich nach ihrer Tochter, die am Rande des Festes ein wenig verloren an der Wand lehnte. Schließlich trat Agnes zu ihr. Von seinem Platz aus konnte Augustin das Gespräch belauschen. Er war neugierig, was die beiden Frauen zu bereden hatten.
»Wo ist denn dein Gemahl?«, fragte Agnes.
»Ich weiß es auch nicht«, antwortete Sophie verwundert. »Er sagte vorhin, er müsse etwas nachsehen. Die ganze Zeit schon scheint er mit seinen Gedanken woanders zu sein, und das an unserem Hochzeitstag!«
Agnes lächelte beschwichtigend. »Ach, mach dir keine Gedanken, er wird gewiss seine Gründe haben.« Dabei musterte sie die zahlreichen Gäste im Saal. »Mach es wie Gerlin. Sie scheint ihren Spaß zu haben.«
Agnes deutete auf ihre Cousine, die sich angeregt mit einem Tuchhändler unterhielt. Trotz ihrer über fünfzig Jahre war Gerlin Metzeler mit ihrem schmalen Gesicht, ihren hellblonden Haaren und der nordisch blassen Haut noch immer eine attraktive Erscheinung. Sie trug eine mit Perlenschnüren verzierte Calotte und eine kleine, an einer filigranen Kette befestigte Handtasche. Dazu hatte sie ihr bestes Kleid angezogen, dessen Ausschnitt von Zeit zu Zeit den Blick auf ein silbernes Amulett preisgab.
»Ich kann noch immer nicht ganz verstehen, warum du sie zu meiner Hochzeit eingeladen hast. Nach allem, was sie uns angetan hat!« Sophie verschränkte trotzig die Arme. »Ebenso wenig, wie ich verstehe, warum du der Witwe von Richard Charman auf Lebenszeit die halben Pachteinnahmen unseres
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