Die vierte Zeugin
Titel:
Die vierte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Tanja u.a. Kinkel
,
Oliver Pötzsch
,
Martina André
,
Peter Prange
,
Titus Müller
,
Heike Koschyk
,
Lena Falkenhagen
,
Alf Leue
,
Caren Benedikt
,
Ulf Schiewe
,
Marlene Klaus
,
Katrin Burseg
hast den Schlüssel … Soll das etwa heißen …?«
Sophie nickte. »Die
Wolkenburg
gehört wieder uns. Komm rein. Du warst lange genug von zu Hause fort.«
Gemeinsam führten sie Agnes durch den Empfangssaal mit der breiten Treppe, die zu den oberen Gemächern führte. Jedes einzelne Zimmer betrachtete die alte Frau schweigend und mit nassen Augen. Schließlich kamen sie ins Wohnzimmer, wo bereits ein wärmendes Feuer im Kamin brannte. Sophie reichte ihrer Mutter einen dampfenden Becher und führte sie zu ihrem alten Lieblingssessel. Dann nahm sie mit Augustin auf der Bank am Kamin Platz.
»Ich weiß, es klingt wie ein Wunder, Mutter«, begann sie lächelnd. »Man hat uns die
Wolkenburg
und auch unser Gasthaus zurückgegeben. Vielleicht haben deine vielen Gebete ja doch geholfen.«
Augustin holte derweil die Unterlagen aus seiner ledernen Mappe, und gemeinsam berichteten sie Agnes in kurzen Worten von der Einflussnahme der Krone in den damaligen Prozess, vom Ketzertod Richard Charmans und von dessen juristischen Folgen. Nur den missglückten Angriff am Rheinhafen erwähnten sie vorerst nicht. Agnes hörte die ganze Zeit schweigend zu; gelegentlich rollten einzelne winzige Tränen über ihre Wangen, während sich ihre Hände um den Becher krampften.
»Mein Gott, Richard ein Ketzer!«, brachte sie schließlich hervor. »Das … das glaube ich nicht. Auch wenn wir dadurch unsere
Wolkenburg
zurückgewonnen haben, das hat er nicht verdient!«
»Wir vermuten, dass Charman die Gunst der Königin verloren hat«, erklärte Augustin. »Wahrscheinlich war er zum ungeliebten Mitwisser geworden. Das hat ihm schließlich das Leben gekostet.«
»Seine arme Frau.« Agnes schüttelte den Kopf. »Es muss furchtbar sein, weiterzuleben als Gattin eines Ketzers, der auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde.«
»Mutter, es geht jetzt nicht mehr um die Charmans, es geht um uns!« Sophie deutete auf die prächtige Wandvertäfelung des Wohnzimmers. »Siehst du denn nicht? Wir haben die
Wolkenburg
zurückbekommen! Dieser Charman …«
»Glaub mir, ich weiß, wie es sich anfühlt, eine Verstoßene zu sein«, unterbrach ihre Mutter sie rüde. »Ich werde dafür sorgen, dass Charmans Witwe entschädigt wird.« Entschlossen stand sie auf. Plötzlich wirkte sie wieder wie die selbstbewusste Händlergattin von einst. »Ich werde noch heute einen Vertrag aufsetzen, der ihr bis zum Lebensende die Hälfte der jährlichen Pachteinnahmen unseres Gasthauses zukommen lässt.«
Augustin stand auf und trat zum Feuer, um sich zu wärmen. »Wenn Ihr dies wünscht, werde ich Euch dabei behilflich sein. Aber den heutigen Festtag wollen wir nicht weiter mit juristischem Papierkram verderben.« Prostend hob er seinen Becher, während er Agnes zuzwinkerte. »Auf die
Wolkenburg
! Und auf ein sich liebendes Paar, das sich schon bald das Jawort geben wird. Nur die künftige Schwiegermutter muss noch einwilligen.«
Agnes Imhoffs Mund blieb einen Moment lang vor Staunen offen. Dann breitete sich ein schmales Lächeln auf ihren Lippen aus.
»Jawort?«, fragte sie und hob spielerisch den Finger. »Augustin, Augustin! Findet Ihr nicht, Ihr habt mir heute schon genug zugemutet?«
Sophie schmiegte sich nah an ihren zukünftigen Gemahl. »Ab jetzt geht es wieder bergauf – versprochen, Mutter. Mit uns und mit der
Wolkenburg
.«
Als sich Agnes Imhoff nach zwei geselligen Stunden von dem Liebespaar verabschiedet hatte und mit der Kutsche zurück zum Konvent aufgebrochen war, saßen Sophie und Augustin noch schweigend im Wohnzimmer und starrten gedankenverloren ins Feuer. Sophie hatte sich ganz in eine warme Pelzdecke gehüllt, ihr Kopf ruhte auf Augustins Schoß. Nach dem Gelächter von vorhin herrschte nun eine fast unheimliche Stille in dem großen leeren Anwesen.
»Warum hast du meiner Mutter nicht von dem Auftragsmörder erzählt, der es auf uns abgesehen hatte?«, fragte Sophie schließlich, während sie weiter zusah, wie das Feuer sich durch die Scheite fraß.
»Soll ich sie unnötig ängstigen?« Seufzend richtete sich Augustin auf. »Wir wissen immer noch nicht, in wessen Auftrag der Mann unterwegs war. Nur weil wir die
Wolkenburg
zurückgewonnen haben, heißt das noch lange nicht, dass die Gefahr ausgestanden ist.«
Sophie rückte ein Stück von ihm ab und sah ihn ängstlich an. »Du … du meinst, wir müssen noch immer um unser Leben fürchten?«
»Es kommt ganz darauf an, wer dahinter steckt«, erwiderte Augustin nachdenklich. »Wenn diese
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