Die vierte Zeugin
Titel:
Die vierte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Tanja u.a. Kinkel
,
Oliver Pötzsch
,
Martina André
,
Peter Prange
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Titus Müller
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Heike Koschyk
,
Lena Falkenhagen
,
Alf Leue
,
Caren Benedikt
,
Ulf Schiewe
,
Marlene Klaus
,
Katrin Burseg
soll ich segnen und wen züchtigen? Das Amt des Koadjutors erfordert viel Umsicht. Und mein Aufstieg kann schnell zu Ende sein, wenn ich jetzt einen Fehler mache. Ich weiß selbst, dass Agnes mich braucht. Ich will ja Gutes tun! Nur wie tue ich mehr Gutes: Indem ich jetzt Agnes zur Seite stehe, die als Hure verschrien ist? Oder indem ich unsere Freundschaft verleugne und Erzbischof werde, so dass ich vielen Menschen helfen kann?«
»Ich dachte immer, du willst das. Ich dachte, dein Ehrgeiz treibt dich voran.« Beinahe zärtlich lächelte sie und sagte leise: »Was Agnes angeht, lass dir von deiner unwissenden Schwester raten: Du kannst nur vielen Menschen Gutes tun, wenn du niemals den Einzelnen vergisst.«
KAPITEL 8
14. 11. 1534
Dritter Verhandlungstag
E r hasste den Marktplatz. Jedes Mal von neuem packte ihn das Entsetzen, wenn er diesen Ort betrat. Bürgerinnen verwandelten sich hier in reißende Harpyien, Knechte wurden zu Mantikoren und harmlose Bettler zu tückischen Säckelschneidern. Das Geld hatte einen Fluch auf den gepflasterten Platz inmitten Kölns geworfen, und seine dunklen Mächte ergriffen von jedem Besitz, der sich an diesen Ort begab.
Adolf wurde von der Meute zum nächsten Stand geschoben. Obwohl er nichts kaufen wollte, war er dem Stauen und Fließen des Menschenstroms ausgeliefert, musste verharren, dann weitergehen, wieder verharren.
Ein Bauer verkaufte Äpfel, Adolf sah genau, wie er die fauligen nach unten schob und gute, polierte nach oben legte. Zwei abgemagerte, räudige Hunde stahlen sich durch die Menge und versuchten, an den Ständen und Verkaufstischen etwas zu ergattern. Gänse reckten ihre Hälse zwischen Käfiggittern hindurch. Schweine wühlten vor den Füßen der Leute im Dreck. Das Brüllen und Grunzen des Viehs gellte in Adolfs Ohren.
Nur die festen Verkaufshütten in der Mitte des Marktes, die von der Stadt vermietet wurden, trotzten den Wogen wie Felsen in der Meeresbrandung. Konnte Köln kein Gesetz erlassen, dass sich der Handel auf diese Hütten zu beschränken hatte? Mit denen konnte er leben. Aber diejenigen, deren Mittel für einen solchen festen Stand nicht ausreichten, hatten den restlichen freien Platz gegen eine geringe Standgebühr mit Zelten und armseligen Buden vollgestellt. Jedes freie Plätzchen wurde vom Kramhandel ausgefüllt.
Eine Frau brüllte ihm ins Ohr: »Zuckerkuchen! Lebkuchen!« Ein Mann mit schneidender Stimme hielt dagegen. »Schnüre, Nadeln, Fingerhüte, Nesteln!«
Adolf hielt sich den schmerzenden Kopf, ließ sich von der Meute weiterdrängen. Jeder bemühte sich, durch Lockrufe auf seine Waren und Dienste aufmerksam zu machen. Ein Quacksalber lobte mit lauter Stimme die Wirkung seiner Heilkräuter und Tränklein. Sein Konkurrent, ein Zahnbrecher, hielt die Leute dazu an, ihre leidenden Verwandten zu ihm zu bringen.
Das Geld hielt die Geschäfte am Laufen, es stachelte die Bürger zum Betrug an, hob launisch den einen in die Höhe und stieß den nächsten in die Tiefe des Hungerleidens hinab. Wer gut verdiente, protzte damit. Bürgerinnen stellten mit bunten Tüchern und geschlitzten Kleidern ihre Putzsucht zur Schau, sie gaben sich wie Damen des oberen Standes und hatten ihre Packknechte und Träger, die das Eingekaufte nach Hause brachten.
Wo war dieser Spielzeugmacher? Er hätte lieber am Abend zu seiner Werkstatt gehen sollen, anstatt ihn auf dem Marktplatz zu suchen.
»Die Imhoff erwischt es«, sagte ein dürres Männchen vor ihm und grinste seinen Gesprächspartner an, einen Grauhaarigen. »Ich kann’s kaum erwarten.«
Der Grauhaarige rückte sich die Kiepe mit Tongeschirr auf dem Buckel zurecht. »Das ist doch eine geborene Lutzenkirchen, oder? Die verdient sich mit der Pacht aus der Gastwirtschaft eine goldene Nase und hat sich zudem noch einen reichen Händler geangelt. Solchen Leuten fällt immer alles zu.«
»Diesmal nicht. Diesmal wird sie dran glauben.«
»Denkst du? Am Ende spricht das Gericht sie frei, sag ich dir. Die Reichen finden immer ein schurkisches Schlupfloch. Nur wir müssen dran glauben!«
Was wisst ihr schon, dachte Adolf bitter. Agnes’ Eltern waren bankrott, sie hätten den
Kleinen Ochsen
längst verloren. Welche andere Wahl hatten sie gehabt, als Agnes reich zu verheiraten? Ihnen hatte der Schuldturm gedroht! Jahrelang hatten sie damit leben müssen, dass sie ihre Tochter unglücklich gemacht hatten. Diesen Kummer hatten sie mit ins Grab genommen.
Und Agnes – hatte sie nicht fleißig dem
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