Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die vierte Zeugin

Die vierte Zeugin

Titel: Die vierte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja u.a. Kinkel , Oliver Pötzsch , Martina André , Peter Prange , Titus Müller , Heike Koschyk , Lena Falkenhagen , Alf Leue , Caren Benedikt , Ulf Schiewe , Marlene Klaus , Katrin Burseg
Vom Netzwerk:
überstreut. War das ein Geschmack!«
    »Die lebendigen Käfer waren mir lieber. Die mit roter Brust haben wir ›Kaiser‹ genannt, weißt du noch? Und die mit dunklen Flügeln ›Köhler‹.«
    »Und die weiß behaarten waren die ›Müller‹.«
    »Jeder hatte sein Kistchen mit den schönsten Exemplaren, und wir haben getauscht.«
    Es tat gut, mit der Schwester zu reden. Cordula hatte ihn schon gekannt, bevor er dieses hohe geistliche Amt verliehen bekommen hatte, sie sah in ihm nicht nur den mächtigen Mann, dem eine glänzende Laufbahn bevorstand, sondern auch den Bruder. Für sie war diese unsichtbare Wand nicht da, die ihn von allen anderen trennte.
    »Was wolltest du von der Tuchhändlerin erzählen?«, fragte sie. »Du hast gesagt, sie
war
verheiratet. Ist ihrem Mann etwas zugestoßen?«
    »Er wurde tot aus dem Rhein geborgen.«
    Cordula richtete sich im Stuhl auf. »Ermordet?«
    »Möglich. Und jetzt steht sie vor Gericht, weil er ein Betrüger war und man ihr alle Güter nehmen will.«
    Die Schwester hielt sich die Hand vor den Mund. »Sie hat ihn aber nicht umgebracht, oder? Ist sie eine Mörderin?«
    »Ihre Ehe war die Hölle. Wie deine, Cordula. Sie hat mir oft ihr Leid geklagt. Wenn der Mann trank, verwandelte er sich in einen Teufel. Und selbst im nüchternen Zustand hat er ihr Gewalt angetan, hat die Tochter bedroht und Agnes in seine üblen Machenschaften mit hineingezogen.«
    »Kannst du ihr nicht helfen? Du kennst doch den Gerichtsschreiber und bestimmt auch einige der Schöffen.«
    »Ich habe sie seit acht Wochen nicht mehr gesehen.«
    »Aber warum denn? Gerade jetzt, wo sie dich dringender braucht als je zuvor!«
    »Ich … gehe ihr aus dem Weg. Ich glaube, es ist besser so.«
    Cordula fuhr auf. »Na wunderbar! Damals bei meinem lieben Ehemann haben auch alle geschwiegen. Ihr Männer seid Feiglinge! Wenn es darauf ankommt, sich einmal ritterlich für uns einzusetzen, haltet ihr zusammen wie Räubergesindel.«
    Er erhob sich ebenfalls. Leise sagte er: »Der Kläger, ein Londoner Tuchhändler namens Charman, hat Agnes neulich im Dom auf das Fürchterlichste beschimpft, als Hure, als Liebesdienerin. Er hat vollkommen die Beherrschung verloren. So etwas geschieht nicht ohne Grund.«
    »Und wenn sie gesündigt hätte, wäre das verwunderlich? Ihr Mann ist selbst daran schuld, wenn er sie verprügelt und ihr das Leben zur Hölle macht.«
    »Du verstehst nicht. Ich bin der Stellvertreter eines hohen deutschen Kirchenfürsten. Ich kann nicht einer Sünderin zur Seite springen, die außerdem noch des Mordes an ihrem Mann verdächtigt wird.«
    »War sie es denn? Hat sie ihn getötet?«
    »Ich denke nicht.«
    Sie fasste nach seiner Hand. »Adolf, ich habe viel durchgemacht, das weißt du genau. Für mich selbst habe ich nie etwas erbeten. Aber ich bitte dich, hilf dieser Frau. Ich kann mir kaum ausdenken, wie ihr zumute ist. Jahrelang wird sie gequält, und jetzt legt ihr der Mann sogar im Tode noch das Messer an die Kehle.«
    »Jede Hilfe kommt zu spät.« Er entwand sich.
    »Ist das Urteil denn schon gefällt?«
    »Noch nicht.«
    »Dann muss es etwas geben, das man für sie tun kann.«
    »Nicht unter diesen Umständen. Ich habe heute Morgen einen Brief erhalten … Es ist aussichtslos.«
    »Geh zu ihr! Höre dir wenigstens ihre Sorgen an! Stehen Stadtbüttel vor dem Haus? Oder warum tust du so, als wäre es verzwickt und schwierig, ihr Haus zu betreten?«
    »Cordula, du weißt doch überhaupt nicht, wovon du sprichst.« Ihm wurde der Hals eng vor Wut. »Denkst du, es war leicht für mich, von zu Hause wegzugehen, mit elf in eine fremde Stadt, an die Universität nach Löwen, mitten unter Männer, die mich spöttisch geschnitten haben, den kleinen Knaben, der behauptet hat, so klug zu sein wie sie? Denkst du, dieses Leben als Geistlicher fällt mir leicht, ohne Familie, ohne Eheweib? Was glaubst du, warum ich noch keine Priesterweihe empfangen habe, obwohl man sie mir Dutzende Male angeboten hat? Weil ich Angst davor habe! Weil ich nicht weiß, ob ich das durchstehen kann, ein Leben als Kleriker und im Dienst der Kirche. Ich verzichte seit Jahren auf das Leben, das ich in Schaumburg haben könnte, Festgelage, Jagdgesellschaften, Spazierritte übers Land. All das tue ich für uns, für unsere Familie.«
    Stumm sah sie ihn an.
    »Ja, ich liebe Gott und will ihm dienen, aber es ist schwer zu wissen, was gut und was schlecht ist. Wie soll ich mich verhalten, wen soll ich unterstützen und wen ermahnen, wen

Weitere Kostenlose Bücher