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Die vierte Zeugin

Die vierte Zeugin

Titel: Die vierte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja u.a. Kinkel , Oliver Pötzsch , Martina André , Peter Prange , Titus Müller , Heike Koschyk , Lena Falkenhagen , Alf Leue , Caren Benedikt , Ulf Schiewe , Marlene Klaus , Katrin Burseg
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und der Welt im Reinen zu sein.
    Adolf pickte zwei Pfennigmünzen aus seiner Geldkatze und übergab sie. Er steckte das Pferdchen ein. Eilig verließ er den Marktplatz und machte sich auf den Weg in den westlichen Teil der Stadt.
    Als er wieder frische Herbstluft atmete, ging es ihm besser. Er bog in eine schmale Gasse ein, die zwischen den Häusern der Großbürger ins Zwielicht führte. Instinktiv legte er seine Hand auf die Geldkatze. Dass sich Agnes nicht fürchtete, solche Orte aufzusuchen! Im Hof stand er einer Reihe von Kleinhäusern gegenüber, eine magere Ziege rupfte an gelblichen Grasresten. Nur nicht zu lange zaghaft herumstehen, dachte er, das vermittelt den Dieben Unsicherheit, ich mache mich so selbst zur Beute. Er trat auf eine der Hütten zu.
    Säuglingsgeschrei drang nach draußen und das Gezänk von Kindern. Er klopfte. Augenblicklich verstummten die Kinderstimmen, nur der Säugling schrie noch. Eine Weile geschah nichts, dann öffnete sich die Tür, und eine Halbwüchsige stand ihm gegenüber, das weinende Kleinkind auf dem Arm. Sie sah ihn ängstlich an.
    »Ist deine Mutter zu sprechen?«, fragte er.
    »Die ist nicht da.«
    »Du bist die Älteste?«
    Sie bejahte.
    Er sah in eine ärmliche Kammer, durch eine Bretterwand waren zwei Betten abgeteilt. Vier schmutzige kleine Gesichter blickten zu ihm hoch. »Ich will zu ihm«, sagte er und zeigte auf einen Jungen von etwa sieben oder acht Jahren.
    »Was hast du angestellt?«, fragte ihn die Schwester scharf, und der Junge zog schuldbewusst den Kopf ein.
    »Er hat nichts getan«, beschwichtigte Adolf. Er ging in die Hocke. »Weißt du, wer ich bin?«
    »Nein.« Hastig fügte der Junge hinzu: »Nein, Herr.«
    »Gut. Ich möchte, dass du etwas für mich tust. Du gehst zu den Imhoffs und sagst der Herrin, ein alter Freund, dessen Name mit A beginnt, möchte sie sprechen. Sie soll zum Pielegraben kommen.«
    Ein listiges Blitzen erschien in den Augen des Jungen. »Was bekomme ich dafür?«
    »Dieses Spielzeugpferd.« Er holte es hervor und hielt es dem Jungen hin. »Es gefällt dir doch?«
    Der Junge nickte.
    »Wiederhole mir, was du ihr sagen sollst.«
    »Ein alter Freund mit Namen … Augustin oder … Agenard will sie sprechen, und sie soll zum Pielegraben kommen.«
    »In Ordnung, das wird reichen. Hier ist das Pferd.«
    Der Junge stürmte hinaus.
    Adolf rief ihm nach: »Weißt du denn, wo die Imhoffs wohnen?«
    Er hörte nicht darauf.
    Hastig folgte Adolf ihm durch die schmale Gasse. »He, bleib stehen! Du musst in die Sternengasse. Du läufst in die falsche Richtung!«
    Offensichtlich hatte der Bursche nicht vor, seinen Auftrag auszuführen, sondern wollte mit dem Pferdchen entkommen. Wie hatte er so dumm sein können, ihm die Belohnung gleich zu geben?
    Adolf ballte die Fäuste. Er könnte am Abend wiederkommen und das Spielzeug zurückfordern, wenn die Eltern des Jungen daheim waren. Dann würde es sicher eine kräftige Tracht Prügel setzen. Aber was gewann er damit?
    Er atmete tief ein und wieder aus. Sah zum Himmel hoch. Was soll ich tun?, betete er. Dieser ganze Tag war ein Schlag ins Wasser. Aber umkehren konnte er nicht, was sollte er Cordula sagen?
    Sein Blick blieb an der Dombaustelle hängen. Eine Niederlage, die man in der ganzen Stadt sehen konnte: Das Querhaus fehlte, der Südturm war nichts als ein kurzer Stummel, auf dessen Dach seit bald zweihundert Jahren ein hölzerner Kran thronte. Niemand baute mehr am Dom, es mangelte an der nötigen Entschlossenheit genauso wie am Geld.
    So würde es ihm nicht ergehen. Er war in der Verantwortung, Agnes zu helfen.
Fiat voluntas tua,
betete er, dein Wille geschehe, Herr. Ich besuche sie also selbst. Grimmig wandte er sich nach Norden. Um einen Vorwand zu schaffen, kaufte er bei einem Straßenhändler zwei Schachteln mit süßen Naschereien.
    Vor dem Gasthaus
Zum Pfannstiel
lächelte ihn ein Ausrufer an und lobte die Güte des gezapften Biers und Weins.
    »Heute nicht«, sagte er.
    Ein Kesselflicker zog laut rufend durch die Straßen. Jemand spielte auf einer Schalmei, die Umstehenden erkannten das Lied und johlten mit. Ob man ihn, Adolf, bemerkte, wusste er nicht zu sagen. Er gab sich Mühe, geschäftig dreinzublicken.
    Da, die Sternengasse. Das Haus der Imhoffs war nicht zu übersehen. Sie hatten hier vor Jahren alles abgerissen und ein neues Haus errichtet mit Garten und Teich, eine Opulenz in der Stadt, die sich nur die reichsten Händler leisteten. Immer stärker kam es in Mode, man wollte

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