Die vierte Zeugin
Titel:
Die vierte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Tanja u.a. Kinkel
,
Oliver Pötzsch
,
Martina André
,
Peter Prange
,
Titus Müller
,
Heike Koschyk
,
Lena Falkenhagen
,
Alf Leue
,
Caren Benedikt
,
Ulf Schiewe
,
Marlene Klaus
,
Katrin Burseg
Beginenkonvent gespendet, hinter dem Rücken ihres Mannes? Davon wussten diese Neider natürlich nichts. Auch nicht von ihren wiederholten Besuchen in den Kellern der Hausarmen, die nichts besaßen als eine morsche Truhe und einen Strohsack. Agnes brachte ihnen regelmäßig Brot, sogar geflickte Kleider schenkte sie ihnen.
»Adolf von Schaumburg, welche Freude!« Ein kleiner Mann in pelzverbrämtem Mantel und schwarzen Kniehosen hielt ihm die Hand entgegen.
Doktor Hieronymus Hauser! Wusste er von der geheimen Nachricht seines Gerichtsschreibers? War er ihm vielleicht gar auf den Marktplatz gefolgt, um ihn zur Rede zu stellen, weil er fürchtete, Adolf würde sich in das Verfahren einmischen?
»Die Freude ist ganz meinerseits«, heuchelte er. Ihm schoss die Hitze ins Gesicht. Ob das dem Richter oft mit Menschen so ging, dass sie in seiner Gegenwart all ihrer Verfehlungen gedachten?
»Wie habt Ihr Euch eingelebt als erzbischöflicher Koadjutor?«
»Gut, danke. Und wie geht es voran mit Eurem Prozess?«
»Darüber sollte ich nicht auf dem Marktplatz sprechen. Nur so viel: Wir haben es diesmal mit einer eiskalten Lügnerin zu tun. Aber ich werde sie schon festnageln, die falsche Zunge!«
Ihn so hasserfüllt über Agnes reden zu hören, gab Adolf einen schmerzhaften Stich. Aber er durfte sich nichts anmerken lassen. Vielleicht versuchte Doktor Hauser, ihn damit aus der Deckung zu locken?
Der Richter sah sich mit listigen, kleinen Äuglein um und wechselte unvermittelt das Thema: »Seht Ihr, da kann man studierter Doktor der Rechte sein und wird von seiner Frau doch wie ein Hanswurst auf den Markt geschickt, um den Wein zu besorgen, den sie so gern trinkt. Aber meiner Betty mag ich solch einen Wunsch nicht abschlagen, sie plagt sich zur Genüge mit den acht Kindern herum.«
Er wusste nichts, ganz offensichtlich. Adolf gewann sein inneres Gleichgewicht zurück. »Eurer Gesundheit ist die frische Luft sicher nicht abträglich, bei der vielen Arbeit in der Amtsstube.«
»Ach, hört mir auf mit der Gesundheit! Seit dem letzten Aderlass ist mir häufig schwummerig. Ich bin sicher, da hat der Stadtarzt den Kalender falsch gelesen, das war Pfusch, man hätte mir an diesem Tag kein Blut abzapfen dürfen.«
»Ich bedaure. Sagt, Ihr wisst nicht zufällig, wo ich den Spielzeugmacher finde?«
»Spielzeug?« Die Brauen des Richters fuhren in die Höhe. »Ich dachte, Ihr bereitet Euch auf die Priesterweihe vor?«
»Nicht für mich.« Wie hatte ihm das herausrutschen können? »Meine Schwester ist zu Besuch. Sie ist … fünf.«
»Und sie besucht Euch, einfach so?«
»Nicht allein natürlich. Mit ihrer Mutter.« Er schluckte. »Mit unserer Mutter. Mutter ist zu Besuch und hat die Kleine mitgebracht.«
»Da hinten, seht Ihr?« Hieronymus Hauser wies auf einen fernen Winkel des langgestreckten Platzes. »Dort steht er meistens.«
Adolf bedankte sich hastig und entkam in die Menge. Konnte Gott es ihm nicht leichter machen? Musste er ihn ausgerechnet in die Arme des Herrn Stadtrichter laufen lassen?
Er arbeitete sich durch das Gewühl, und als er endlich am anderen Ende des Marktplatzes angekommen war, schwitzte er in seinem mit Wollfett getränkten, schweren Mantel und war so oft gestoßen worden, dass seine Arme sicher voller blauer Flecken waren.
Dieser Gestank! Von der einen Seite wehte Fischgeruch heran, von der anderen roch es nach Schweineurin. Lebkuchenduft mischte sich mit dem Dampf frischen Kuhdungs. Es war von allem zu viel; das Gewoge von Menschen und Waren überforderte die Sinne.
Kinder säumten den Stand des Spielzeugmachers. Auf einem wackeligen kleinen Tisch hatte er Rasseln, Holzschwerter und Strohpuppen angeordnet, auch Figuren aus Wachs, Ton und Holz. Steckenpferde mit einer Mähne aus Ledersträhnen waren an den Tisch gelehnt.
Agnes kaufte oft bei ihm ein und brachte den Waisenkindern die erworbenen Spielsachen, oder den armen Familien, die sie mit Almosen versorgte. Für ihn, Adolf, war es das erste Mal, dass er ein Spielzeug kaufte.
»Was kostet dieses geschnitzte Pferd?«, fragte er und hielt eine Figur in die Höhe. Das Holz war glattgeschmirgelt und fühlte sich herrlich an, er selbst bekam Lust, mit dem Pferdchen über den Tisch zu galoppieren. Seltsam, wie es einen in die Kindheit zurückversetzte, sobald man Spielzeug in die Hand nahm.
»Zwei Pfennige.« Der Spielzeugmacher war unrasiert, und seine schulterlangen Haare waren verfilzt, aber das Gesicht des Mannes strahlte. Er schien mit sich
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