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Die vierte Zeugin

Die vierte Zeugin

Titel: Die vierte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja u.a. Kinkel , Oliver Pötzsch , Martina André , Peter Prange , Titus Müller , Heike Koschyk , Lena Falkenhagen , Alf Leue , Caren Benedikt , Ulf Schiewe , Marlene Klaus , Katrin Burseg
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mit dem Kläger gemeinsame Sache machen?«
    Unweit von ihr hob der Engländer den Kopf und begann, leise mit seinem Anwalt Helmbert Bellendorf zu tuscheln.
    »Daher habe ich mich an einem Abend am Wirt vorbei die Stiege hinaufgeschlichen und eine Weile an der Tür gelauscht, hinter der ich die beiden vermutete«, fuhr Gerlin fort. »Es hat mir die Schamesröte ins Gesicht steigen lassen, so eindeutig waren die Geräusche, die nach außen drangen! Dann habe ich die Tür einen Spalt geöffnet, um sicherzugehen, dass ich niemanden zu Unrecht verdächtige.«
    Sie blickte zu Agnes, die ihr Gesicht in den Händen verbarg. Wie unschuldig sie wirkte, mit ihrem züchtig gebundenen Haar und dem hochgeschlossenen Kleid. Doch an jenem Abend, der Gerlin nun deutlich vor Augen stand, hatte sie ihre Cousine im Halbdunkel der Kammer erkannt. Ja, sie war es gewesen, zweifellos. Agnes hatte sich wollüstig gezeigt, war entfesselt und voller Leidenschaft, während der Engländer wieder und wieder in sie hineinstieß.
    Gerlin schüttelte den Kopf, als könnte sie damit die Bilder dieser Erinnerung loswerden, doch sie blieben haften wie kalter Schweiß. »Sie haben es miteinander getrieben wie die Tiere im Stall!«
    »Das ist eine Unterstellung!« Agnes nahm die Hände vom blassen Gesicht. Ihre Stimme zitterte. »Das ist eine infame Lüge! Du hast dich geirrt, Gerlin, das war nicht ich, die du beobachtet hast, das war eine andere Frau!«
    »Und was hattest du im Gasthof zu suchen? Ich habe dich doch hineingehen sehen!«
    »Nein! Die Frau mag dieselben Schuhe gehabt haben und vielleicht auch meine Gestalt. Aber das war nicht ich!«
    »Ruhe!«, donnerte Doktor Hauser und machte eine mahnende Gebärde in Richtung Agnes. Dann wandte er sich wieder Gerlin zu. »Habt Ihr mit jemandem darüber gesprochen?«
    »Ja. Andreas war gewiss kein einfacher Mann, aber
das
hatte er nicht verdient! Sollte ich zusehen, wie ihn seine eigene Frau hintergeht? Jene Frau, die sich von seinem Vermögen die schönsten Kleider und Schmuckstücke anfertigen ließ und ihn dann, als er ihre Treue und Loyalität am dringendsten benötigte, mit dem Mann betrog, der ihn vor den Richter zerren wollte? Ich
musste
es ihm doch sagen! Und als er nur wenige Tage später von der Messe zurückkehrte, habe ich es getan. Er war außer sich.«
    »So sehr, dass er seine Frau verprügelt und sie mitsamt dem Kind in den Keller gesperrt hat«, stellte der Richter fest.
    »Dass er die kleine Sophie derart ängstigt, habe ich nicht gewollt.« Sie schluckte. »Er hat mich nach Hause geschickt, aber ich erfuhr es von Stingin, als ich am nächsten Tag nach dem Rechten sehen wollte.«
    »Zu diesem Zeitpunkt war Andreas Imhoff bereits tot.«
    Gerlin nickte. Tränen stiegen ihr in die Augen, rannen hinab und tropften auf das Schachbrettmuster.
    Sie vermisste ihn. Trotz allem.
    Wie hatte alles nur so weit kommen können? Hätte sie Andreas schon vorher vor Agnes warnen sollen, als er ihren Reizen verfiel? Aber es war zu spät gewesen. Und auch wenn Andreas’ Augen ihr, Gerlin, manchmal Zuneigung und Bedauern verraten hatten, wenn sie alleine gewesen waren, so war der Funke zwischen ihnen stets verloschen, sobald seine Frau den Raum betreten hatte.
    Doktor Hieronymus Hauser beugte sich zu den Schöffen hinab, von denen ein älterer eindringlich auf ihn einsprach. Dann wandte er sich wieder dem Saal zu.
    »Ich fasse zusammen, was wir inzwischen von diesem Abend wissen. Ihr, Gerlin Metzeler, habt Andreas Imhoff vom vermeintlichen Ehebruch seiner Frau mit dem Kläger erzählt, woraufhin Imhoff seine Gattin maßregelte, sie zusammen mit der gemeinsamen Tochter im Keller einsperrte und dann das Haus verließ. Am nächsten Morgen zog man ihn leblos aus dem Rhein, und erst als die Büttel Agnes Imhoff davon in Kenntnis setzen wollten, fand man die Beklagte und das Kind in ihrem Gefängnis.« Er machte eine Pause und sah zur Bank der Kläger. »Sagt, was würdet Ihr in einem solchen Fall tun, Meister Charman, wenn Ihr erführet, dass Eure Frau sich mit dem ärgsten Feind vergnügt? Würdet Ihr nicht sofort zu ihm eilen und ihn zur Rede stellen wollen?«
    Der Engländer zuckte die Schultern, aber sein Gesicht war kalkweiß.
    »Ihr könnt Euch setzten, Gerlin Metzeler«, sagte Hauser. »Aber Euch, Herr Charman, wünsche ich augenblicklich vor meinen Richterpult!«
    Gerlin nahm erleichtert Platz. Als aber Richard Charman der Aufforderung nachkommen wollte, schob ihn sein Anwalt zurück auf die Bank und

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