Die vierte Zeugin
Titel:
Die vierte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Tanja u.a. Kinkel
,
Oliver Pötzsch
,
Martina André
,
Peter Prange
,
Titus Müller
,
Heike Koschyk
,
Lena Falkenhagen
,
Alf Leue
,
Caren Benedikt
,
Ulf Schiewe
,
Marlene Klaus
,
Katrin Burseg
in hohem Bogen hinaus.«
Hans verharrte in der Bewegung. »Was hast du nur immer für eine Laune?« Es klang eher amüsiert als verärgert.
Geräuschvoll stellte die Wirtin die Krüge auf den Tisch. Dann drehte sie sich zu ihm um und legte die Hand unter sein Kinn.
»Meine Laune könnte nicht besser sein. Aber das kann sich schlagartig ändern. Riskiere es, mich anzufassen, und du wirst es erleben.« Sie setzte ein liebenswürdiges Lächeln auf.
Er hob beide Hände in die Luft. »Für heute belasse ich’s beim Trinken.«
Sie ließ sein Kinn los. »Ganz wie du meinst.« Damit drehte sie sich um und ging auf ihren Platz zurück. Nach einem weiteren Blick zu den Männern am Tisch wandte sie sich wieder Rudolf Urban zu.
»Also muss die arme Agnes Imhoff, nach allem, was ihr widerfahren und an Verleumdungen gegen sie vorgebracht worden ist, nun auch noch beweisen, dass sie keinen Mord in Auftrag gegeben hat, ja?«
»Darauf läuft es hinaus.«
Ursel schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Verflucht! Ein jeder in ganz Köln weiß, dass das nicht wahr ist.«
»Ganz recht«, befand Rudolf. »Aber auch wenn man nicht nachweisen kann, dass Clewin ein gedungener Mörder ist, so wird das Gericht dennoch darüber entscheiden müssen, ob Frau Imhoff tatsächlich zur Unterschrift gezwungen wurde oder nicht. Und nun, da sie als Lügnerin und Ehebrecherin dasteht, wird man ihr das nicht abkaufen wollen. Dann wird sie zur Zahlung der Schulden verurteilt. So habe ich es zumindest verstanden.«
Urban zuckte mit den Schultern.
Die Tür der Schänke öffnete sich, und Gast um Gast trat ein. Nur wenige Momente später hatte sich die Schänke bis auf den letzten Platz gefüllt. Ursel hatte Mühe, den plötzlichen Ansturm zu bewältigen.
»Ich komm dann morgen wieder!«, rief Rudolf Urban ihr zu, um die lauten Stimmen der Männer zu übertönen, und legte einige Münzen auf die Tischplatte.
Ohne nachzuzählen nahm Ursel das Geld und nickte ihm zu. »Gehab dich wohl, Rudolf. Und spitz weiter die Ohren.«
Er hob grüßend die Hand und verließ den
Kleinen Ochsen
.
Erst Stunden später verabschiedeten sich die letzten Gäste und drückten ihr die geforderten Geldmünzen in die Hand.
Die ganze Sache wurde immer verworrener. Eine tiefe Unruhe hatte von Ursel Besitz ergriffen. Hoffentlich würde am Ende alles gut, dachte sie bei sich, als sie die leeren Krüge von den Tischen räumte.
Doch daran konnte sie seit heute nicht mehr glauben.
KAPITEL 13
20. 11. 1534
» R ichter …«
Ein mahnendes Stimmchen zerriss seinen Traum, und der Beginn eines Gedankens schlich sich in sein Bewusstsein.
»Hmm …« Hieronymus Hauser wehrte sich gegen das Aufwachen. Er drehte sich, lag nun auf dem Bauch. Knurrend wandte er den Kopf zur Seite. Weg von dem Stimmchen, zurück in die sanfte Umarmung der Nacht.
»Richter … Es ist Zeit.« Von Sankt Georg drang das strenge Läuten der Glocken an sein Ohr, er zählte sechs Schläge. Im nächsten Moment hatte er keine Erinnerung mehr an seinen Traum. Ein vages Bedauern überlagerte die Müdigkeit.
»Hieronymus …«
Nun gab es kein Entrinnen mehr. Er seufzte, drehte sich wieder auf den Rücken und schlug die Augen auf.
Da stand sein Weib. Betty beugte sich über ihn, und für einen winzigen, wohligen Augenblick konnte er die Wölbung ihrer Brüste erahnen, die über den Rand des Mieders lugten.
Oder war das nur ein Traum?
Hinter ihren Röcken, und nun war Hauser wirklich wach, drängten sich die Kinder – acht an der Zahl.
Guter Gott …
Der Strom seiner Gedanken begann zu fließen.
»Die Sitzung, Richter.« Johannes, sein Ältester, wagte sich vor. In dessen dunklem, welligem Haar und den kurzen Beinen sah Hauser sich selbst und die lange Kette der Vorfahren aufblitzen, die bis zu einem alten, rheinischen Winzergeschlecht zurückreichte. Und abgesehen von seiner Tochter Merle, die rank und schlank wie eine Birke war, hatten alle Kinder die gedrungene Statur des Vaters geerbt.
Grunzend zog Hauser eine seiner Morgengrimassen, und die Kinder lachten. Dann setzte er sich schwerfällig auf, mit einer weiteren Fratze verscheuchte er die Bande. Lärmend polterten die Kinder die Stiege hinab.
Ein größeres Haus.
Das war der nächste Gedanke.
Wir brauchen endlich ein größeres Haus. Mehr Platz. Raum. Stille.
Ein weiterer, tiefer Seufzer folgte, Hauser schwang die Beine aus dem Bettkasten. Wortlos küsste ihn seine Frau auf die Stirn, dann reichte sie ihm die schwarze Richtertracht.
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