Die vierte Zeugin
Titel:
Die vierte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Tanja u.a. Kinkel
,
Oliver Pötzsch
,
Martina André
,
Peter Prange
,
Titus Müller
,
Heike Koschyk
,
Lena Falkenhagen
,
Alf Leue
,
Caren Benedikt
,
Ulf Schiewe
,
Marlene Klaus
,
Katrin Burseg
gegen die Imhoff sprechen.«
Nun war es heraus. Betty blickte ihn empört an. Er hatte einen Fehler gemacht. Hauser erkannte, dass er nicht auf ihr Verständnis hoffen konnte. Sie würde sich auf die Seite der Beklagten schlagen.
»Dann beugst du das Recht?«
Hauser ließ sich wieder zwischen die Kissen fallen. Er hatte genug für diesen Tag.
»Ich muss schlafen«, knurrte er gereizt.
»Und wenn sie nun doch unschuldig ist? Wie kannst du sie nur verurteilen? Denk doch an das Kind! Als Witwe hat es die Agnes Imhoff schwer genug. Du darfst sie nicht für die Taten ihres Mannes büßen lassen, wo kommen wir denn da hin?«
»Ja, wo kommen wir da hin?«, echote Hauser. Er widerstand der Versuchung, seinem Weib an den Kopf zu werfen, wohin man schon gekommen war. Sah sie denn nicht, dass die Welt sich auf den Abgrund zubewegte? Dass man die Autoritäten stärken musste, den Kaiser und die Katholische Kirche? »Davon verstehst du nichts, Betty.«
»Sie ist dir wohl zu forsch …«
Bettys Stimme hatte nun einen Ton angenommen, der nichts Gutes verhieß. Hauser dachte, dass er sein Weib nun zurechtweisen müsste, doch zwischen Gedanke und Ausführung gähnte der träge, fiebrige Sumpf.
»Der Kaiser wird sich erkenntlich zeigen …«
»Ach ja«, schnappte Betty zänkisch. »Ein Fässchen Wein vielleicht.«
»Wir könnten uns ein größeres Haus kaufen, Betty. Das Haus am Neumarkt.«
»Du weißt nicht, was du redest, Richter.«
Plötzlich schien sie milder gestimmt. Sie schüttelte die Decken auf und strich ihm noch einmal über die schweißnasse Stirn. »Schlaf dich aus, Hieronymus. Gott wird es schon richten.« Dann löschte sie die Kerzen und stieg leise die schmale Treppe hinab.
Ein größeres Haus. Mehr Platz. Raum. Stille.
Hauser versuchte, an seinen morgendlichen Traum anzuknüpfen. Ein paar Mal drehte er sich noch, dann schien der Strom seiner Gedanken zur Ruhe zu kommen. Er sah sich im Bettkasten liegen, dann war er plötzlich unterwegs. Es war Sommer, die Luft war herrlich mild, und Schwalben segelten hoch oben in einem tiefblauen Himmel. Hauser fühlte sich leicht und beschwingt. Etwas trieb ihn voran, eine unbändige Freude. Wohin führten ihn seine Schritte?
Das nächste Bild zeigte den Rhein. Mächtig schob der Strom sich durch die Terrassen fremder Uferlandschaften. Hauser saß auf einem Stein, die Abendsonne wärmte seinen Rücken. Sie waren ordentlich marschiert, nun ruhten sie sich aus. Das Gefühl der Freiheit war unbeschreiblich.
Wer waren
sie
?
Hauser versuchte, hinter die Kulissen seines Traums zu blicken.
Gabriel. Jetzt sah er ihn. Der Junge hatte ein Bad im Fluss genommen. Das goldene Haar schmiegte sich wie eine Kappe an seinen Kopf. Lachend schüttelte er sich das Wasser aus den Locken, dann strich er sich das Haar aus der Stirn. Die tief stehende Sonne zeichnete Muster auf seinen nackten Körper. Unbefangen lief Gabriel ihm entgegen.
Hauser schaute und schaute und schaute. Er wollte das Bild des Flötenspielers in sich aufnehmen und tief in seinem Innersten wie einen kostbaren Schatz bewahren. Sehnsüchtig wartete er darauf, dass der Junge sich an seine Seite setzte. Sie würden Wein trinken, Gabriel würde auf seiner Flöte spielen, und später, wenn die Sonne in einem rauschenden Farbenmeer versunken wäre, könnten sie gemeinsam das Lager teilen. Schon spürte er ein Ziehen in seinem Körper, sein Herz schlug wild, und die Liebe zu diesem Engel schäumte köstlich und süß wie kochend heiße Mandelmilch durch seine Adern.
Hauser streckte die Arme aus.
Doch Gabriel kam nicht näher. Auf einmal schien sich die Distanz zwischen ihnen zu vergrößern. Es war, als ob sich immer neue Uferpartien in das Bild schöben. Der Junge lief auf ihn zu, doch der Weg wurde länger und immer länger. Hauser sah, dass der Flötenspieler wie an einem unsichtbaren Seil von ihm fort gezogen wurde. Das Bild des Jungen wurde kleiner, verschwamm. Irgendwo schlug eine Uhr, dann war er plötzlich fort. Wie vom Höllenschlund verschlungen.
Gabriel!
Hauser sprang nun auf. Er stolperte, fiel beinahe, tastete nach einem Halt, tat ein paar Schritte und fiel dann doch. Hart schlug seine Stirn gegen ein Hindernis, und er seufzte benommen.
»Wo ist der Junge?«
»Was redest du denn? Die Kinder schlafen, es ist früher Morgen.«
Verwirrt sah Hauser auf.
»Du hast im Schlaf gesprochen, Hieronymus. Dann bist du aufgesprungen und gegen den Stuhl gelaufen.«
Tatsächlich, jetzt bemerkte Hauser, dass er in
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