Die vierte Zeugin
Titel:
Die vierte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Tanja u.a. Kinkel
,
Oliver Pötzsch
,
Martina André
,
Peter Prange
,
Titus Müller
,
Heike Koschyk
,
Lena Falkenhagen
,
Alf Leue
,
Caren Benedikt
,
Ulf Schiewe
,
Marlene Klaus
,
Katrin Burseg
Abendlichter hinter den kleinen Butzenscheiben der Häuser. Rauch stieg aus unzähligen Schornsteinen auf, die Kölner hatten sich längst um den Abendtisch versammelt.
Das Haus!
Der Richter ärgerte sich, er hatte die Zeit vergessen. Dabei hatte er versprochen, es sich heute noch anzusehen. Er zögerte kurz, dann gab er sich einen Ruck. Vielleicht würde Justitia ihm dort, im Angesicht ihrer Waage, eine Antwort geben.
Auf der Straße war es kalt, fluchend eilte er zum Neumarkt. Dunkel und mächtig ragte das Patrizierhaus aus den Schatten der Nacht.
Vorsichtig tastete Hauser sich durch den finsteren Garten. Er glaubte, Schritte zu hören.
»Ist dort jemand?«
Nur das Flüstern des Windes in den Bäumen und Büschen antwortete ihm. Die Geräusche der Nacht, die alles fremd und unwirklich erscheinen ließen, ängstigten Hauser. Fast war es ihm, als hörte er das Knarren und Ächzen einer zerrissenen Welt. Schnell tastete er sich die Treppen hinauf zum Portal, zog den Schlüssel hervor und öffnete die schwere Tür. In der Halle, so hatte man ihm versprochen, wartete eine Lampe auf ihn.
Hauser entzündete das Licht. Das Flackern der Öllampe beruhigte seine Nerven. Langsam wanderte er durch das Haus, von Raum zu Raum. Die Ausmaße des Gebäudes waren gewaltig. Ursprünglich hatte es einer wohlhabenden Familie von Gewürzhändlern gehört, der Geruch von exotischen Kräutern und Spezereien hing noch unter den hohen Decken. Unter dem Dach auf dem Speicher, aber auch im Keller und in den ehemaligen Geschäftsräumen hatten sich die Warenlager befunden. Einige leere Fässer und Säcke kündeten noch von den guten Geschäften der Vergangenheit. Und auch in den prächtigen Wohn- und Gesellschaftsräumen spiegelte sich der Reichtum der Besitzer wider.
Hauser gefiel, was er sah. Im Geiste richtete er die Räume ein, schon lud er zu Gesellschaften und üppigen Tafelrunden. Und unter dem Giebel gab es genug Platz für die Kinder und das Gesinde. Dann sah er Betty, die ihn stolz anhimmelte. Und Gabriel – plötzlich fiel ihm die Verabredung wieder ein. Nun war es zu spät, um noch quer durch die Stadt zum Gasthaus zu eilen. Er seufzte auf und ließ sich auf ein Lager aus leeren Säcken fallen. Müde, aber gleichzeitig euphorisch hing er seinen Gedanken und Plänen nach. Der leise Zweifel, der ihm in der Richterkammer gekommen war, hatte sich in den prächtigen Räumen längst verflüchtigt.
Es war spät, als Hauser den Heimweg antrat. Über den Neumarkt fegte ein eisiger Wind, die Kälte fuhr ihm unter den Mantel und zerrte an Nase und Ohren. Der Richter zitterte und begann zu husten. Als er das Haus am Mühlenbach erreichte, packte ihn der Schüttelfrost.
»Was ist passiert?« Besorgt empfing Betty ihren Mann daheim. »Wo bist du gewesen?« Dann bemerkte sie sein rot glühendes Gesicht, seinen rasselnden Atem. »Du hast Fieber.«
Energisch trieb sie den Richter vor sich her zu seinem Bett. »Du musst dich ausruhen …«
Hauser hatte nicht die Kraft, sich gegen ihre Fürsorge zu wehren. Der Tag war lang gewesen, und die Erschöpfung saß ihm in den Knochen. Jetzt brauchte er Trost.
»Nun sag schon …« Betty zerrte an seinen Hosen.
Ächzend ließ Hauser sich hintenüber in die Federn fallen. »Die Schöffen …«, seufzte er erschöpft. »Sie haben mich den ganzen Tag in Beschlag genommen.«
Für einen Moment dachte er an die endlosen Sitzungen zurück, die nun hinter ihm lagen. An all die Worte, Sätze, Litaneien, die er sich im Fall Imhoff hatte anhören müssen. Er hatte es geschafft – endlich. Doch das Fieber und die Müdigkeit versagten ihm plötzlich jedes Triumphgefühl. Hauser schloss die Augen.
»Was ist das?« Bettys Stimme klang erregt. Zu Beginn ihrer Ehe, dachte Hauser, hätte er wohl anders reagiert, und dieser Augenblick wäre in einer höchst vergnüglichen Umarmung geendet. Doch seit zwei oder drei Jahren – nun ja …
Hauser öffnete nur mühsam die Augen und sah, was Betty da in den Händen hielt.
Das kaiserliche Schreiben!
»Das ist ein Brief«, hörte er sich ausweichend erklären und streckte die Hand danach aus. Doch Betty hatte das stolze Siegel bereits erkannt. Gebannt starrte sie darauf, bis Hauser ihr das Papier entriss und unter sein Kopfkissen steckte.
»Warum schreibt der Kaiser an
dich
?«
Betty konnte ihre Neugier nicht im Zaum halten. Und Hauser, der sich plötzlich so schwach und elend wie lange nicht fühlte, erleichterte sein Herz.
»Ich soll in jedem Fall ein Urteil
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