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Die vierte Zeugin

Die vierte Zeugin

Titel: Die vierte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja u.a. Kinkel , Oliver Pötzsch , Martina André , Peter Prange , Titus Müller , Heike Koschyk , Lena Falkenhagen , Alf Leue , Caren Benedikt , Ulf Schiewe , Marlene Klaus , Katrin Burseg
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schließlich in diesem Prozess. Agnes Imhoff hat mit ihrem Mann gemeinsame Sache gemacht. Die Eheleute haben den Kaufmann Richard Charman schändlich betrogen.«
    »Der Imhoff hat seine Frau gezwungen.« Helffman ließ nicht locker, nun hatte er sich festgebissen.
    Auch Engelhardt nickte. »Die Ehe war nicht glücklich«, setzte er unbeholfen nach.
    Hauser lächelte im Stillen. Umständlich beugte er sich vor, der Brief unter seinem Paltrock raschelte beruhigend. »Ist Eure Ehe etwa glücklich, Engelhardt?«, grunzte er. »Habt Ihr nie die Hand gegen Euer Weib erhoben? Das ist doch kein Beweis für Schuld oder Unschuld. Das ist nichts als … Geschwätz und Gewäsch. Ich hätte die Aussage der Magd Bruwiler viel kürzer halten müssen. Ein sentimentales Rührstück war das, mehr nicht.«
    »Agnes Imhoff ist doch eine schwache Frau!«
    »Sie hat immer gewusst, was sie tat.«
    »Sie hat sich nicht gegen ihren Mann wehren können.«
    »Sie hat das Ansehen Kölns in der Welt beschmutzt. Die Stadt muss jedem Händler einen sicheren Marktplatz bieten können.«
    Und so ging es fort. Jeden Einwand der Schöffen, die sich für Agnes Imhoff aussprachen, parierte der Richter überzeugend und gewandt, und immer wieder verwies er auf die Zeugin, deren Aussage dunkle Schatten auf die Angeklagte geworfen hatte. Hatte der Auftritt Gerlin Metzelers vor Gericht nicht Bände gesprochen? Die eigene Cousine hatte sich von der Angeklagten abgewandt. Und ergab sich in der Summe nicht das Bild einer ganz und gar verdorbenen und skrupellosen Frau?
    Trotzdem zog sich die Sitzung bis in den Nachmittag hinein, und im endlosen Hin und Her der Worte bemerkte Hauser, dass seine Gedanken träge zu dem Brief schweiften, der in seinem Hosenbund steckte.
    Welchen Wert besaß sein Urteil? Vor seinem inneren Auge sah der Richter das Patrizierhaus am Neumarkt aus dem Novembernebel hervortreten, dieses wunderbare Haus. Seine Gedanken verloren sich in den Untiefen seiner Möglichkeiten und Wünsche, während die Schöffen um ihr Urteil rangen.
    Vielleicht könnte er es mit dem Geld des Kaisers kaufen? Ein Haus, das noch herrschaftlicher war als das Domizil der Imhoffs.
    Hauser begann zu schwitzen. Plötzlich war die Hitze im Saal kaum noch zu ertragen, und die Kanne mit Richterwein an seinem Platz war längst leer.
    Er winkte einen der Diener heran und befahl ihm, das Fenster zu öffnen. Leise, wie aus weiter Ferne, wehte das Lied des Flötenspielers in den Saal. Die Melodie beruhigte die Flut seiner Gedanken, und auch die Schöffen unterbrachen nun ihr Wortgefecht und lauschten der Musik. Hauser spürte eine Bewegung im Raum. Er sah, wie sich die Köpfe der Männer zum Fenster hin wandten, so als könnten sie die Töne sehen – leuchtende Farbpunkte, die durch die Luft tanzten.
    Prüfend tastete der Richter sich über die Mienen der Anwesenden. Die lange Sitzung hatte die Schöffen erschöpft, ihre Aufmerksamkeit ließ nach. Auch sie sehnten das Ende der Beratung herbei.
    Konnte er es wagen? Schnell setzte Hauser zu seinem letzten Gefecht an: »Gibt es unter Euch noch einen, der an der Schuld der Angeklagten zweifelt?«
    Johann Helffman und Christoph Hoss schüttelten schwach den Kopf, Simon Engelhardt und Valentin Gottfried schlossen sich nach kurzem Zögern an, und auch die übrigen Männer begehrten nicht mehr auf.
    »Dann danke ich den Schöffen für ihren Dienst an der Gerechtigkeit. Und Gott dafür, dass wir alle zu einer einhelligen Meinung gekommen sind, die mein Urteil auf die Pfeiler der Rechtmäßigkeit stützen wird.« Zufrieden schob Hauser seinen Stuhl zurück und stand auf. »Die Sitzung ist beendet.«

    Der Erfolg hatte ihn durstig gemacht. In seiner Kammer hatte Hauser dem Richterwein zugesprochen, auch von der Wurst, die er für längere Sitzungen vorrätig hielt, hatte er gegessen, um danach die Akten und Protokolle auf seinem Tisch zu ordnen. Zuletzt hatte er begonnen, sich einige Notizen zu seinem Urteil zu machen. Doch während er schrieb, sah er in Gedanken die weinende Agnes Imhoff vor sich. Es war das Bild einer sorgenden Mutter, die nicht um das eigene Glück, sondern um das Wohl der kleinen Tochter kämpfte.
    Hauser seufzte auf, er dachte an Betty, an seine Kinder. Müde legte er die Feder zur Seite und starrte aus dem Fenster. Es war spät geworden, er würde das Urteil morgen ausarbeiten.
    Als der Richter den Domhof verließ, war es bereits dunkel. Der Himmel stand schwarz über dem Rhein, behaglich schimmerten die

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