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Die vierte Zeugin

Die vierte Zeugin

Titel: Die vierte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja u.a. Kinkel , Oliver Pötzsch , Martina André , Peter Prange , Titus Müller , Heike Koschyk , Lena Falkenhagen , Alf Leue , Caren Benedikt , Ulf Schiewe , Marlene Klaus , Katrin Burseg
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dem ihre volle Schuldfähigkeit bestätigt wurde und man sie zur endgültigen Herausgabe der Immobilien zugunsten Richard Charmans verurteilte.
    In der Begründung hieß es unter anderem, das Kölner Statutenrecht gehe im Fall Imhoff von ehelicher Geschäfts-, Vermögens- und Schuldengemeinschaft aus, die vom letztlebenden Ehepartner in vollem Umfang weiterzutragen sei.
    Als Agnes den Gerichtssaal verließ, musste Augustin von Küffen sie stützen, ansonsten wäre sie zusammengebrochen. Die Beschimpfungen der Zuschauer tosten an ihr vorbei, als ob sie zu einer anderen Welt gehörten.
    Seltsam körperlos erreichte sie wenig später ihr vertrautes Heim, wo Stingin und Sophie schon voller Sorge auf sie warteten. Auch Adolf von Schaumburg hatte sich eingefunden, um ihr tröstenden Beistand zu leisten.
    »Man hat uns in nur einem Atemzug zu Bettlern gemacht«, flüsterte sie tonlos. »Noch in dieser Woche müssen wir ausziehen.«
    Tränen quollen aus ihren Augen, und als Adolf von Schaumburg sie behutsam in die Arme nahm, begann sie an dessen Schulter hemmungslos zu schluchzen.
    »Oh, mein Gott«, jammerte Stingin. »Wo sollen wir denn hin?«
    »Was hat das zu bedeuten?« Ganz bleich vor Schreck wandte sich Sophie an Augustin von Küffen.
    Dieser räusperte sich und ging vor dem Mädchen in die Hocke. Er nahm ihre Hände in seine und schaute sie mit ernsten Augen an. »Es bedeutet, dass es keine Gerechtigkeit gibt«, antwortete er ihr mit belegter Stimme. Dann erhob er sich wieder und strich dem Mädchen übers Haar. Sichtlich bekümmert öffnete er seine Gürteltasche und zog mit spitzen Fingern eine goldene Münze hervor. »Ich habe etwas für dich«, sagte er und überreichte Sophie das kostbare Stück, in das ein wahrhafter Meister seines Fachs Justitia mit der Waage der Gerechtigkeit und verbundenen Augen eingeprägt hatte.
    »Ich brauche sie nicht mehr«, bekannte Augustin deprimiert. »Aber du könntest dir etwas Schönes davon kaufen.«
    »Danke«, hauchte Sophie gerührt und drückte die Münze an ihr Herz. »Ich werde sie nicht verkaufen, sondern sie bis ans Ende meiner Tage behalten, weil ich sie von Euch bekommen habe!« Der Glanz in ihren Augen ließ Agnes für einen Moment all das Leid vergessen, das sie erfahren hatte.

    In Anbetracht der bevorstehenden Vollstreckung des Urteils und damit des Verlustes ihrer beiden Häuser hatte Agnes zusammen mit ihrer Tochter bei den Beginen zu Köln um Aufnahme gebeten. Wenigstens für die erste Zeit der Not wollte Agnes dem Kind eine sichere Unterkunft bieten, bis sie irgendwo eine Arbeit finden würde. Aber das konnte sich als schwierig erweisen. Nicht nur ihr gesamter Besitz war verpfändet worden, auch die Tuchhändlergilde hatte sich von ihr abgewandt und ihr jegliche Rentenzahlung verweigert. Und wie üblich hatten die mildtätigen, frommen Frauen nur für einen begrenzten Zeitraum ihre Unterstützung zusagen können, danach würde Agnes auf eigenen Füßen stehen oder dem Orden beitreten müssen.
    »Ich bin so gut wie tot«, sagte sie leise zu Stingin, während sie ihre letzten Habseligkeiten in Kisten verpackten. »Man sieht es mir nur noch nicht an.«
    Stingin keuchte entsetzt. »Versündigt Euch nicht«, fügte sie hastig hinzu und bekreuzigte sich. »Denkt an Sophie, sie braucht Euch jetzt mehr denn je.«
    »Ich werde euch aufnehmen«, verkündete wie aus heiterem Himmel eine honigsüße Stimme, die Agnes regelrecht aufschrecken ließ. Als sie herumfuhr, sah sie zu ihrem großen Erstaunen ihre Cousine, mit der sie ganz und gar nicht gerechnet hatte. »Du brauchst dich nicht um deine Zukunft zu sorgen. Ich kann dir und deiner Tochter ein sicheres Auskommen bieten.«
    »Gerlin?«, entfuhr es Agnes mit einem resignierten Unterton in der Stimme. Sie richtete sich mühsam auf und schaute ihrer unverhofften Gönnerin prüfend in die blauen Augen. »Sag mir, womit haben wir deine plötzliche Gunst verdient?«
    »Ich will nicht, dass du mit Sophie auf der Straße landest«, erklärte Gerlin nüchtern, »was unweigerlich geschehen wird, sobald die Beginen euch nicht weiter beherbergen können.«
    »Und wie soll das möglich sein? Soweit ich weiß, reicht es gerade, um dir und deinem Mann ein bescheidenes Auskommen zu ermöglichen. Wie willst du da noch zwei Esser mehr durchbringen?« Agnes versuchte vergeblich, Ruhe zu bewahren. Dass ausgerechnet Gerlin ihre Hilfe anbot, erschien ihr sonderbar. Schließlich war sie es gewesen, die vor Gericht Agnes’ Verhältnis mit

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