Die vierte Zeugin
Titel:
Die vierte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Tanja u.a. Kinkel
,
Oliver Pötzsch
,
Martina André
,
Peter Prange
,
Titus Müller
,
Heike Koschyk
,
Lena Falkenhagen
,
Alf Leue
,
Caren Benedikt
,
Ulf Schiewe
,
Marlene Klaus
,
Katrin Burseg
und Kräuter an, Milch und Eier. Kinder jagten Hunde quer über den Platz, vorbei an den Ständen und Wagen, die mit bunten Tüchern auf sich aufmerksam machten. Waschweiber tratschten am Brunnen, Mägde tauschten untereinander Klatsch über ihre Herrschaft aus. Der Gestank von fauligen Abfällen, Exkrementen und menschlichem Schweiß erfüllte die Luft. Das Leben in Köln ging seinen üblichen Gang.
Bis zum Vormittag verkaufte Sophie drei der vier Tücher, die die Mutter ihr mitgegeben hatte, nun wusste sie immerhin einen Groschen mehr in ihrer Tasche. Auch zwei der kleinen Bronzespiegelchen, die sie kürzlich erstanden hatte, um sie an Bürgersfrauen und deren Töchter weiterzuverkaufen, hatte sie veräußern können. Als sie mit dem Geld am Stand des Bäckers einen dicken Laib Graubrot und beim Bauern den vierten Teil eines Laibs Käse erstand, war das Geld zu einem Gutteil wieder ausgegeben. Den spärlichen Rest legte sie für die Miete beiseite.
Die Sonne kletterte am Himmel auf ihren höchsten Stand und wärmte Häuser, Straßen und Menschen endlich mit ihren Strahlen. Sophie sollte eigentlich heim auf den Berlich gehen, wo sie nun ohne Goddert wohnte, um den Krämerladen aufzumachen. Doch wie immer zog es sie nach dem Einkauf zuerst zum Stand des Instrumentenbauers, um die Auslagen zu bewundern. Besonders eine Laute aus hellem Birkenholz hatte es ihr angetan. Meisterhaft geschnitzt und von der Größe her perfekt für Sophies schlanke Finger geeignet, lag sie auf einem Kissen aus zerschlissenem blauem Samt. Sophie beäugte das Instrument wehmütig.
»Na, immer noch nicht genug Münzen beisammen, Sophie?«, brummelte der Instrumentenbauer.
»Nein, Hoffmann.« Sie seufzte. »Es wird wohl auch noch ein Weilchen brauchen.«
»Ich halte sie dir nun schon den dritten Monat zurück. Lange kann ich das nicht mehr machen«, erwiderte der bärtige Greis, dessen Blick trotz seines Alters immer noch ungetrübt war. Er trug einen wadenlangen braunen Mantel mit aufgeschlagenen Ärmeln und einen flachen Hut. Er sah zur Mittagssonne hoch. »Dieser Sommer ist ja schon frisch, und der nächste Winter kommt mit Macht, das fühle ich in den Knochen. Ich muss verkaufen, was ich kann, um mir ein paar neue Fensterläden anfertigen zu lassen. Ich ertrage die Kälte nicht mehr gut.«
»Ich versteh’ schon.« Sophie versuchte ein Lächeln. »Dann verkauf sie besser. Ich fürchte, es wird nichts mehr werden dieses Jahr.«
Der Alte nickte brummelnd und verzog das Gesicht, so dass sich die Fältchen an den Augen runzelten. »Schade ist es. Du hättest deine wahre Freude damit. Und bei dir wär’ sie in guten Händen.«
»Mach dir keine Gedanken, Hoffmann. Du machst ja auch neue Lauten, die sicher ebenso gut passen werden.«
Sophie wollte sich schon abwenden, doch Hoffmann hob die Hand und deutete auf etwas an ihrem Hals. »Was ich mich schon lange frage, Sophie – was trägst du da?«
Sie legte die Hand an den Ausschnitt und zog die Münze hervor, die dort in einer schlichten Fassung am Lederband hing. Sie hatte sie beinahe vergessen. »Eine Münze, nichts weiter.«
»Nichts weiter? Sie sieht alt aus. Was ist darauf abgebildet?«
»Justitia«, antwortete Sophie.
»Sieht aus wie ein alter Römertaler. Gegen das Stück lass ich dir die Laute.«
»Die Laute für den Anhänger?« Das Angebot war verlockend. Sophie spielte mit der Münze, die die Wärme ihrer Haut angenommen hatte. Sie trug sie seit ihrer Kindheit und nahm das Band nur zum Waschen und Baden ab. Wenn sie nun die Laute für die Justitia bekäme, könnte sie das bisher gesparte Geld für die Miete verwenden und trotzdem Musik machen, um die Leere im Haus, die sich seit Godderts Tod eingenistet hatte, mit ein bisschen Fröhlichkeit zu füllen. Dann hätte das Kleinod, das ihr Augustin von Küffen damals gegeben hatte, einen Nutzen.
Mit dem Gedanken an Augustin kehrte die Erinnerung an jene schlimmen Tage zurück, in denen die Mutter und sie alles verloren hatten. Sie schloss die Faust über dem Schmuckstück und schüttelte bedrückt den Kopf. Es waren keine schönen Erinnerungen, die die Münze mit sich brachte, und doch besaß sie eine Bedeutung. »Das geht nicht, Hoffmann. Der Anhänger gehört mir nicht.«
»Aber du trägst ihn doch schon, solange ich dich kenne? Wem soll er da gehören?«
»Ich bewahre ihn für jemand anderen auf. Jemanden, der ihn selbst nicht mehr tragen wollte. Das ist ein Unterschied.«
Hoffmann strich sich durch den grauen Bart und
Weitere Kostenlose Bücher