Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die vierte Zeugin

Die vierte Zeugin

Titel: Die vierte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja u.a. Kinkel , Oliver Pötzsch , Martina André , Peter Prange , Titus Müller , Heike Koschyk , Lena Falkenhagen , Alf Leue , Caren Benedikt , Ulf Schiewe , Marlene Klaus , Katrin Burseg
Vom Netzwerk:
beschützen kann.« Seine Stimme war leise und ernst geworden.
    Sophie dachte über Augustins Worte nach und horchte in sich hinein. Erst jetzt wurde ihr klar, dass sie vorhatten, in ein Wespennest zu stechen, und dass vielleicht sogar ihr eigenes Leben in Gefahr war. Doch ihre Entschlossenheit gewann Oberhand. Zu lange schon hatten sie und ihre Mutter sich damit abgefunden, ein Leben zu führen, das sie nicht verdient hatten. Niemals hätte sie zu hoffen gewagt, dass der
Kleine Ochse
und die
Wolkenburg
einmal wieder ihnen gehören könnten. »Keine Wahrheit ohne Risiko«, sagte sie schließlich trotzig. »So viel muss ich wagen, Augustin.«
    Der Anwalt nickte bedächtig. »So machen wir es, Sophie.«
    Dann begannen sie, gemeinsam Pläne zu schmieden.

KAPITEL 18

Oktober 1555

    D as Feuer im Herd war zu glimmenden Kohlen heruntergebrannt. Sophie saß an einem der groben Tische im leeren Schankraum, vor sich einen Krug mit Dünnbier. Die alte Wirtin stand abseits an einem großen Topf und füllte eine Kelle Suppe in eine Holzschüssel, mit der sie dann herüberhumpelte. »Verdammte Knochen«, murmelte sie und rieb sich dabei die ausladenden Hüften. »Schmerzen jeden Tag ein bisschen mehr, wenn man aufwacht.«
    »Das tut mir leid«, erwiderte Sophie.
    »Ach, Mädchen, das ist das Alter. Wird weder durch Jammern noch durch Mitleid besser, was?«
    »Nein, vermutlich nicht«, pflichtete Sophie ihr bei. Die Wirtin war heute bereits die Dritte, die Augustin und sie befragten – nach Cousine Gerlin und Stingin Bruwiler. Gerlin Metzeler, bei der Agnes und Sophie jahrelang als Dienstmägde angestellt gewesen waren, hatte ihnen zwar mit einer Stellung ausgeholfen, sie aber immer spüren lassen, was für einen großen Gefallen sie ihnen damit tat. Nun hatte sie Augustin auf ihre brüske Art zu verstehen gegeben, dass sie mit den Ereignissen von damals abgeschlossen hätte und nichts mehr damit zu tun haben wollte.
    Stingin hatte sich über das Wiedersehen mit Sophie gefreut und versucht zu helfen, wo es ging, doch Neuigkeiten hatten sie bei ihr nicht erfahren. Sie wusste leider gar nichts, außer, wie schlimm Sophies Vater damals im Hause Imhoff mit seiner Frau umgesprungen war. Stingin hatte sogar angezweifelt, dass es noch etwas bringen konnte, Licht in diese alte Geschichte zu lassen. »Oh, süßer Jesus. Lass die düstere Vergangenheit hinter dir und schau in eine bessere Zukunft, mein Kind«, hatte Sophie sie inständig gebeten und dabei Augustin mit einem wohlwollenden, aber auffordernden Blick bedacht.
    Und jetzt waren sie bei Ursel Rumperth, auch heute noch Wirtin des
Kleinen Ochsen
. Sie war wie früher eher rundlich und hatte tiefe Hauttaschen unter den Augen. Das gütige Gesicht war von Falten zerfurcht, die Finger knotig und krumm. Die Arme wiesen noch immer dicke Muskeln von der Arbeit auf, und das Haar, nicht mehr dunkel, sondern so von Grau durchsetzt, dass man kaum noch Farbe erkannte, trug sie wie früher zu einem Knoten im Nacken geschlungen.
    Augustin stand angespannt neben dem Tisch, an dem Sophie saß. Das langsame Tempo der Alten schien seine Ungeduld noch zu erhöhen.
    »Und was will der Herr bei all diesen Dingen?«, fragte Ursel nun und deutete mit dem Kinn auf ihn.
    »Er hilft mir.«
    »Ah, die Sorte Hilfe kenne ich. Hüte dich davor, mein Kind!«
    »Ich muss doch sehr …«, begann Augustin, doch Sophie legte ihm die Hand auf den Arm und sah ihn bittend an, woraufhin er verstummte.
    Die Alte stellte die dampfende Suppe mit zittrigen Fingern vor Sophie auf den Tisch und brach ein Stück Brot vom Laib, das sie dazulegte. »Jetzt iss mal lieber. Du bist ja nur Haut und Knochen.« Dann fragte sie: »Hast du denn die Gänse gar nicht mitgebracht?«
    Sophie starrte Ursel Rumperth fassungslos an. »Gänse? Was für Gänse?«
    »Na die Gänse, die ich bestellt habe.« Ursel räumte die Schüssel fort, bevor Sophie sie hatte leeren können, und kehrte dann in ihrem langsamen Gang an den Tisch zurück.
    Sophie tauschte mit Augustin einen irritierten Blick. »Ich … habe keine Gänse.«
    Die Alte glotzte verständnislos. »Aber eine Gänsemagd ohne Gänse? Was ergibt das denn für einen Sinn?«
    »Ich …« Sophie verstummte. Sie hatte sich ihr bereits vorgestellt, sie an die Mutter erinnert, an den Prozess vor zweiundzwanzig Jahren. Hatte die Alte das schon wieder vergessen? »Ich bin Sophie, die Tochter von Agnes Imhoff, Ursel. Weißt du noch? Du hattest dieses Haus lange von uns gepachtet.« Sie wies auf

Weitere Kostenlose Bücher