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Die vierzig Geheimnisse der Liebe / ebook

Die vierzig Geheimnisse der Liebe / ebook

Titel: Die vierzig Geheimnisse der Liebe / ebook Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elif Shafak
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unter dem Koch leiden sollte. Und wie ich litt! Aber sosehr ich dem Koch alles übel nahm, seine Regeln habe ich nie missachtet – bis zu dem Abend, an dem Schams-e Tabrizi auftauchte. Als mich der Koch in der Nacht schließlich eingeholt hatte, verpasste er mir die schlimmste Tracht Prügel meines Lebens. Eine Weidenrute nach der anderen zerbrach auf meinem Rücken. Dann stellte er meine Schuhe so vor die Tür, dass die Spitzen nach außen zeigten. Das bedeutete, dass ich zu gehen hatte. In einer Derwisch-Bruderschaft werfen sie einen nie hinaus oder erklären offen, dass man versagt hat, sondern sorgen dafür, dass man von selbst und ohne Aufhebens geht.
    »Wir können nicht gegen deinen Willen einen Derwisch aus dir machen«, sagte der Koch. »Man kann den Esel zum Wasser bringen, aber saufen muss er selbst. Der Esel muss einfach das Zeug dazu haben. Anders geht es nicht.«
    Wobei ich natürlich der Esel bin. Ehrlich gesagt wäre ich schon viel früher gegangen, wenn Schams-e Tabrizi nicht gewesen wäre. Er machte mich so neugierig, dass ich blieb. Einen wie ihn hatte ich noch nie erlebt. Er fürchtete niemanden, und er gehorchte niemandem. Sogar der Koch hatte Hochachtung vor ihm. Wenn es für mich in dieser Bruderschaft überhaupt ein Vorbild gab, dann war es Schams mit seinem besonderen Wesen, seiner Würde, seiner Widerspenstigkeit, und nicht der demütige alte Meister.
    Ja, Schams-e Tabrizi war mein Held. Nachdem ich ihn kennengelernt hatte, wusste ich, dass ich mich nicht in einen sanftmütigen Derwisch verwandeln musste. Wenn ich lange genug in seiner Nähe blieb, würde ich genauso dreist, unerschütterlich und widersetzlich werden wie er. Deshalb beschloss ich, mit ihm zu gehen, als der Herbst kam und ich begriff, dass Schams für immer fortbleiben würde.
    Als ich meine Entscheidung gefällt hatte, ging ich noch vor Tagesanbruch zu Baba Zaman. Er saß in seinem Zimmer und las im Schein einer Öllampe ein altes Buch.
    »Was willst du, Novize?«, fragte er so matt, als würde ihn mein Anblick ermüden.
    So unverblümt ich konnte, erwiderte ich: »Ich habe gehört, dass Schams-e Tabrizi uns bald verlässt, Meister. Ich will mit ihm gehen. Vielleicht braucht er ja einen Reisebegleiter.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du ihn so gernhast«, sagte der Meister argwöhnisch. »Oder willst du nur der Arbeit in der Küche entrinnen? Deine Probezeit ist noch nicht zu Ende. Man kann dich wohl kaum als einen Derwisch bezeichnen.«
    »Vielleicht besteht meine Probe darin, mit Schams auf die Reise zu gehen.« Das war ziemlich gewagt, aber ich sagte es trotzdem.
    Der Meister schlug die Augen nieder und versank in tiefes Nachdenken. Je länger er schwieg, umso mehr wuchs meine Überzeugung, er würde mich wegen meiner Anmaßung tadeln und den Koch auffordern, besser auf mich aufzupassen. Doch er tat nichts dergleichen. Er sah mich nur traurig an und schüttelte den Kopf.
    »Vielleicht bist du nicht gemacht für das Leben in einer Bruderschaft, mein Sohn. Schließlich bleibt von sieben Novizen, die diesen Weg beschreiten, nur ein einziger. Ich glaube nicht, dass du zum Derwisch taugst. Du solltest dein Kismet anderswo suchen. Wenn du Schams begleiten willst, musst du ihn um Erlaubnis fragen.«
    Baba Zaman beendete das Gespräch mit einer höflichen, aber entschiedenen Kopfbewegung und widmete sich wieder seinem Buch.
    Ich war traurig und fühlte mich sehr klein, aber auf merkwürdige Weise auch befreit.

SCHAMS
    BAGDAD, 29. SEPTEMBER 1243
    B ei Tagesanbruch ritt ich gegen den Wind davon. Ich zog nur ein einziges Mal die Zügel an, um mein Pferd zum Stehen zu bringen, und warf einen Blick zurück. Das Haus der Derwisch-Bruderschaft sah aus wie ein zwischen Maulbeerbäumen und Gebüsch verstecktes Vogelnest. Noch eine Zeit lang blitzte immer wieder Baba Zamans müdes Gesicht vor mir auf. Er ängstigte sich meinetwegen, aber ich sah keinen Grund dafür. Ich hatte mich auf eine innere Reise der Liebe begeben – wie sollte daraus Unheil entstehen? Das war meine zehnte Regel: Norden oder Süden, Osten oder Westen – es ist einerlei. Wohin auch immer dein Weg dich führt, was zählt, ist einzig, aus jeder Reise eine Reise nach innen zu machen. Wer sich selbst bereist, bereist die ganze Welt und noch viel mehr.
    Obwohl ich viele Beschwernisse voraussah, sorgte ich mich nicht allzu sehr. Jedes Schicksal, das mich in Konya erwartete, war mir willkommen. Als Sufi hatte ich gelernt, mit der Rose auch den Dorn anzunehmen und mit der

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