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Die Violine des Teufels

Die Violine des Teufels

Titel: Die Violine des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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dabei war. Verärgert stand Perdomo auf und rief: »Das geschieht mir recht! Genauso gut hätte ich ein Lotterielos kaufen können. Die Aufklärung eines Mordes darf man eben nicht dem Zufall überlassen. Man muss es richtig anfangen. Könntest du die Praxis ein, zwei Tage schließen?«
    »Wann?«
    »Morgen.«
    »Unmöglich. Mal abgesehen von finanziellen Erwägungen würde es die Eltern der Kinder sehr verärgern, wenn ich anfange, die Termine zu verschieben. Außerdem behandele ich gerade ein Mädchen mit permanenten Verlustängsten, das kann ich jetzt nicht einfach im Stich lassen.«
    »Und am Wochenende?«
    »Das könnte gehen, vorausgesetzt ich finde jemanden, der sich um meine Mutter kümmert. Wo willst du denn mit mir hin?«
    »Hast du schon mal von Rafael Orozco gehört – auch ›der Alchemist‹ genannt?«
    »Der Parfümeur? Natürlich. Wo lebt der?«
    »An der Côte d’Azur. Wenn du nicht willst, könnte ich das verstehen. Immerhin bitte ich dich darum, dorthin zurückzukehren, wo du den schlimmsten Alptraum deines Lebens durchlebt hast.«

41
    R afael Orozco stammte aus Priego in der Provinz Córdoba, doch seine Eltern waren gezwungen gewesen, ins Exil zu gehen, als er noch ein kleiner Junge gewesen war, und so war er in Nizza zur Schule gegangen. Nach dem Abitur hatte er seiner Familie erklärt, er wolle entweder Architekt oder Komponist werden. Das Architekturstudium verhinderten seine schlechten Noten, und sein zweiter Berufswunsch scheiterte an der Notwendigkeit, Geld zu verdienen, um so bald wie möglich zu Hause ausziehen zu können. Der Vater eines Freundes bot ihm seine erste Anstellung in der nahe gelegenen Stadt Grasse an, dem Weltzentrum der Parfümherstellung und Schauplatz eines großen Teils des Romans Das Parfüm von Patrick Süskind. Weder die Jahre noch die Entfernung hatten ihn jedoch seine Wurzeln vergessen lassen, und so hatte Orozco sich aus seiner Geburtsstadt einen hundertjährigen Olivenbaum bringen lassen, der dank des warmen Klimas seines Wohnorts in seinem fabelhaften Garten Wurzeln geschlagen hatte.
    Perdomo telefonierte lange mit Orozco, um herauszufinden, ob dieser bereit wäre, bei einer polizeilichen Ermittlung mitzuwirken, und der Parfümeur erwies sich als ausgesprochen kommunikativer Mensch, der einen Ruf als unwiderstehlicher Frauenheld hatte.
    Orozco erzählte, in Grasse, einer Stadt mit nicht einmal fünfzigtausend Einwohnern, gebe es nicht weniger als drei Museen, die sich dem Parfüm widmeten: das Musée Molinard, das Musée Fragonard und das Musée Internationale de la Parfumerie, wo er auch anfangs als Führer gearbeitet hatte.
    »Jetzt bin ich bloß noch ein älterer Herr mit dem gewissen Etwas«, erklärte er Perdomo, »aber mit achtzehn, neunzehn Jahren konnte mir keine Frau widerstehen. In diesen ersten Jahren in Grasse habe ich mir fast jeden Abend eine Touristin ins Bett geholt. Ein paar von ihnen haben sogar Trinkgeld auf dem Kopfkissen liegen lassen!«
    Kurz nachdem Orozco im Museum angefangen hatte, hatte er ein Schlüsselerlebnis gehabt, bei dem ihm klargeworden war, dass all diese Parfüms, die er tagtäglich im Museum vorführte, nicht einfach willkürlich von Mutter Natur zusammengemischt worden waren, sondern dass hinter jedem einzelnen ein langwieriger Prozess der Ausarbeitung durch den Menschen stand.
    Das hatte ihn veranlasst, sich um eine Lehrstelle bei der Firma Moulinsart zu bewerben, wo er es dank seines Talents und seiner Beharrlichkeit innerhalb von vier Jahren zum Parfümeursgehilfen gebracht hatte. Orozco hatte Anfängerglück gehabt: Gleich seine erste Kreation, ein Damenparfüm namens Eurydice, war ein weltweiter Erfolg geworden.
    »Als junger Mann habe ich davon geträumt, eines Tages eine Oper zu komponieren, und mit Eurydice konnte ich der Frau von Orpheus, dem Helden der ersten Oper der Geschichte, huldigen.«
    Als Orozco nun hörte, dass seine Mitwirkung entscheidend für die Identifizierung eines gefährlichen Verbrechers sein könnte, zeigte er sich begeistert: »Ich komme mir vor wie in einem Roman von Agatha Christie!« Er wollte sogar unbedingt, dass der Polizist und das Medium in seinem Haus übernachteten.
    »Mein Atelier ist in Grasse, das liegt im Landesinneren«, erklärte er, »aber ich lebe in Nizza, obwohl ich dadurch gezwungen bin, jeden Tag sechzig Kilometer zu fahren. Aber ich kann keinen Tag auskommen, ohne das Meer zu sehen.«
    Perdomo jedoch lehnte das großzügige Angebot ab. Er zog es vor, zwei Zimmer in

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