Die Violine des Teufels
und zwar folgende: Der Mörder tötet Larrazábal, lässt sie auf dem Flügel liegen, schreibt ihr mit Blut das Wort Iblis auf die Brust und steigt dann die Treppe hinauf, um durch eine der oben gelegenen Türen zu flüchten. Aber da hört er jemanden hereinkommen und schafft es nur noch, sich zwischen den Sitzen zu Boden zu werfen, um sich zu verstecken.«
»Wenn deine Theorie zutrifft, wäre Agostini an dem Abend um ein Haar ebenfalls ermordet worden. Das würde auch das hohe Stressniveau des Täters erklären, das es mir ermöglicht hat, seine Präsenz noch Tage später wahrzunehmen.«
Doch Perdomo hörte ihr schon nicht mehr zu, denn durch die Glasscheibe, die die Passkontrolle vom Ausgang abtrennte, hatte er Rafael Orozco gesehen, der offenbar höchstpersönlich gekommen war, um sie abzuholen.
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D er Parfümeur fuhr einen Rover P6 3500 mit Automatikgetriebe – das gleiche Modell, in dem Fürstin Gracia Patricia 1982 ums Leben gekommen war. Orozco erklärte, er sei ziemlich abergläubisch und habe Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um dieses Fahrzeug zu finden – das er sogar in der gleichen Farbe, Gold, hatte lackieren lassen –, weil er überzeugt war, dass man der Wahrscheinlichkeitsrechnung nach nicht auf derselben Strecke, auf der die berühmte Schauspielerin verunglückt war, ebenfalls einen Unfall haben könne, wenn man das gleiche Auto fuhr wie sie.
»Die Stelle, an der sie abgestürzt ist, liegt nur zwanzig Kilometer von hier. Wenn Sie wollen, zeige ich sie Ihnen«, bot Orozco an, als spräche er von einem Aussichtspunkt.
Doch Perdomo und Milagros erklärten dem Parfümeur, ihre Zeit sei knapp bemessen. Sie konnten nur vierundzwanzig Stunden in Grasse bleiben und mussten diese Zeit so gut wie möglich nutzen.
»Wir werden in meiner Villa Eurydice einen Imbiss zu uns nehmen, und am frühen Nachmittag fahre ich dann mit Ihnen ins Musée Internationale de la Parfumerie, wo ich früher Museumsführer war. Mein Geruchssinn erwacht nach Sonnenuntergang. Dann kümmern wir uns um die Identifizierung des mysteriösen Dufts.«
Perdomo und Milagros gelangten zu dem Schluss, so wie ihr Gastgeber fuhr, müsse es sein innigster Wunsch sein, den Unfall der berühmten Fürstin zu wiederholen. Doch da der Mann in einem fort redete, war es nicht leicht, ihn zu bitten, ein wenig langsamer zu fahren.
»Ich bin jetzt seit fünfunddreißig Jahren die Nummer eins in der Parfümbranche weltweit, deshalb nennt man mich ja den ›Alchemisten‹. Niemand stellt mich in Frage oder gar in den Schatten. Es gibt sehr gute Leute, verstehen Sie mich nicht falsch, aber die sind aus einer anderen Generation. Ich habe mein Metier auf die harte Tour gelernt – wer nicht hören will, muss fühlen –, und in meiner Jugend musste ich über dreitausend Düfte auswendig lernen, ohne überhaupt zu wissen, ob es mir gelingen würde, in diesem Beruf Erfolg zu haben.«
Orozco wollte unbedingt, dass sie bis Montag blieben, damit er sie George Clooney vorstellen konnte, mit dem er gerade gemeinsam einen Duft entwickelte.
Als sie schon dachten, ein Unfall sei unvermeidlich, bremste Orozco abrupt ab und blieb vor dem Gittertor einer prunkvollen Villa stehen, deren Garten von einem riesigen Olivenbaum beherrscht wurde.
Die Villa war von beachtlicher Größe, und die beiden Besucher wunderten sich, dass es nicht vor Bediensteten wimmelte. Den Aperitif beispielsweise servierte ihnen Orozco höchstpersönlich. Mit geübter Hand bereitete er den Gimlet und den trockenen Martini, die seine Gäste sich gewünscht hatten, und stellte ihnen die Getränke auf die Untersetzer.
»Ich bin gern allein«, erklärte er. »Ich habe kaum Bedienstete, keinen Hund, keine Kinder. Freunde habe ich gerade mal die vier unentbehrlichen, und nach meiner letzten Scheidung habe ich darauf verzichtet, noch einmal zu heiraten.«
Daraufhin erzählte er ihnen haarklein von dem Konflikt, der seine letzte Ehekrise ausgelöst hatte, denn er war bereits zwei Mal geschieden. Lily, seine letzte Frau, hatte in Villefranche, außerhalb von Nizza, ihr Traumhaus gefunden. Es hatte dem König von Belgien gehört und war später in ein Lazarett für verwundete Soldaten des Ersten Weltkriegs umgewandelt worden. Das Haus hatte dreihundert Millionen Euro kosten sollen.
Perdomo und Ordóñez stockte der Atem, als sie diese Summe vernahmen.
»Meine Frau war die Tochter eines libanesischen Magnaten, das gesamte Geld, das sie besaß, hatte sie geerbt. Nachdem sie eine
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