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Die Violine des Teufels

Die Violine des Teufels

Titel: Die Violine des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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auf die Fotografie und sah sichtlich verstört weg.
    »Tut mir leid, aber ich wollte ganz sichergehen«, entschuldigte sich Perdomo, der an ihrer Reaktion erkannte, dass es sich um dieselbe Figur handelte.
    »Ich habe diese Geige noch nie im Leben gesehen!«, versicherte sie ihm. »Aber ich weiß, warum mein Alptraum von heute Nacht mit Ersticken zu tun hatte. Man muss nicht Proust gelesen haben, um zu wissen, dass Gerüche Erinnerungen heraufbeschwören können. Tja, in dem Geruch, den ich im Auditorio wahrnahm, gibt es eine Note, die an Lavendel erinnert und mich sofort in eines der traumatischsten Erlebnisse meiner Kindheit zurückversetzt hat. Meine Eltern hatten ziemlich wohlhabende katalanische Freunde, die immer ein Ferienhaus an der Côte d’Azur gemietet haben, und in einem Jahr luden sie uns ein, den Sommer bei ihnen zu verbringen. Die Villa war entzückend und hatte einen Garten, in dem sie Lavendel gepflanzt hatten. Eines Nachmittags nach dem Mittagessen fing der ältere Sohn dieser Freunde, Xavier, an, mich zu quälen – vielleicht hat es ihn geärgert, dass ich ihn kaum beachtet habe. Er hat mir eine dieser Plastikhüllen über den Kopf gestülpt, mit denen man früher die Langspielplatten geschützt hat. Er fand das wohl witzig. Es war während der Siesta, und als ich mir das Ding wieder vom Kopf ziehen wollte, ließ er mich nicht. Wir haben eine Minute lang miteinander gerungen, und ich stand kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren. Ich glaube, nie habe ich mich dem Tod so nahe gefühlt wie damals. Und dabei war ich erst vierzehn!«
    »Das klingt grauenvoll.«
    »Das war es auch. Und findest du es nicht auch gemein, dass ausgerechnet der Geruch von Lavendel mich seither an dieses grauenvolle Erlebnis erinnert?«
    Milagros’ Mutter war erwacht und verlangte lautstark nach ihrem Frühstück. Milagros ließ Perdomo einige Minuten lang allein, um sich um ihre Mutter zu kümmern. Während er wartete, vertrieb er sich die Zeit damit, die Bücher im Regal anzuschauen, und dabei sah er, dass Milagros angefangen hatte, sich eine kleine Bibliothek über Verbrechen und Parapsychologie zusammenzustellen. Allerdings waren es lauter englischsprachige Bücher, beispielsweise Psychic Murder Hunters: Real-life Stories of Paranormal Detection. Als Milagros zurückkehrte, überraschte sie ihn beim Blättern in einem dieser Bücher.
    »Das ist fast alles Mist, glaub mir. Außer einem Briten, der für Scotland Yard arbeitet, bei dem hatte ich ein gutes Gefühl, und einer Rumänin aus der Ceauşescu-Zeit, die einem Mörder so nahe kam, dass er sie erdrosselt hat.«
    »Das ist sicher erfreulich für dich, zu wissen, dass du nicht allein auf der Welt bist«, sagte Perdomo und stellte das Buch zurück ins Regal.
    »Das bin ich aber. Allein, und überhaupt nicht erfreut. Ich habe dir ja gesagt, dass ich mich nicht outen kann, wenn du mir die Formulierung gestattest. Ich bin Kinderpsychologin, und es wäre sehr schlecht für meine Praxis, wenn bekannt würde, dass ich hin und wieder mit … dem, was auf der anderen Seite ist, in Verbindung trete und solche Krisen wie die von vorgestern Nacht habe.«
    »Das beruhigt mich, ich stünde nämlich auch nicht besonders gut da, wenn Galdón herausfände, dass ich mich an eine Parapsychologin gewandt habe, um den Mörder zu fassen«, sprach Perdomo seine Sorge laut aus.
    Er fühlte sich immer wohler in Gegenwart von Mila, und er erkannte, dass die Notwendigkeit, ihre Beziehung geheim zu halten, sie ebenso stark aneinanderschmiedete wie ihrer beider feste Absicht, den Schuldigen zu fassen.
    Milagros merkte erst jetzt, dass Perdomo nicht einmal den Mantel ausgezogen hatte, und machte sich Vorwürfe, weil sie so eine schlechte Gastgeberin war. Sie nahm ihm den Mantel ab und hängte ihn an die Garderobe. Dann kochte sie Kaffee, den sie am Küchentisch tranken. Schließlich packte Perdomo seine Flakonsammlung aus, und Milagros staunte.
    »Da sind ziemlich teure Parfüms dabei. Wie viel hat der Spaß dich gekostet?«
    »Gemessen am Gehalt eines Polizisten ein Vermögen, aber ich zähle da ein bisschen auf die Wahrscheinlichkeitsrechnung. Wenn es eine zwanzigprozentige Chance gibt, dass der Geruch des Mörders dabei ist, dann ist die Investition mehr als gerechtfertigt.«
    Unter den aufmerksamen Blicken Perdomos schnupperte Milagros an den einzelnen Parfüms und schüttelte nach jeder Geruchsprobe den Kopf. Innerhalb von fünf Minuten wussten die beiden, dass das, was sie suchten, nicht

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