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Die Violine des Teufels

Die Violine des Teufels

Titel: Die Violine des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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Anzahlung geleistet hatte, begleitete ich sie am Tag darauf, um mir das Haus anzusehen, und wissen Sie was? Ich konnte es nicht einmal betreten. Wegen des Geruchs natürlich, der unerträglich für mich war. Ich wusste sofort, dass wir diesen Geruch niemals aus dem Haus bekommen würden. Es war ein fürchterlicher Gestank nach elektrischem Luftverbesserer mit Mandarinenduft, bei dem mir regelrecht übel wurde. Lily musste zwischen einem Haus für dreihundert Millionen und einem Ehemann mit Erektionsproblemen wählen, und sie hat das Haus gewählt, wie es jede vernünftige Frau tun würde.«
    Nach einem köstlichen Essen auf der Veranda, bei dem sie unter anderen Gaumenfreuden ausgebackene Zucchiniblüten kosten konnten, wollte Orozco mit ihnen eine Spazierfahrt machen, um ihnen die Highlights der Umgebung zu zeigen, darunter das Haus, in dem die Sängerin Edith Piaf gestorben war.
    Perdomo verzichtete zwar auf diese Tour de Nice, doch er musste unwillkürlich an den Geliebten der Piaf denken, der im selben Flugzeug wie Ginette Neveu ums Leben gekommen war, die Lupot zufolge die vorherige Besitzerin der Teufelsgeige gewesen war.

    Die Fahrt ins nur dreißig Kilometer entfernte Grasse verlief deutlich ruhiger als die zum Haus von Orozco. Vermutlich machte der Verdauungsvorgang den Parfümeur schläfrig, jedenfalls fuhr er mit vernünftiger Geschwindigkeit und brachte sie bis vor ihr Hotel, damit sie einchecken und ihr Gepäck aufs Zimmer bringen konnten, was nicht mehr als zehn Minuten in Anspruch nahm.
    Dann führte Orozco sie ins Musée Internationale de la Parfumerie, wo er mit ihnen eine Führung machte, damit Perdomo begriff, wie schwierig es sogar für einen Experten wie Orozco war, den Geruch des Mörders zu identifizieren.
    Das Museum hatte drei Stockwerke. Im ersten Stock konnten sie die diversen Gerätschaften bestaunen, die seit der Zeit der Pharaonen bei der Kreation und Konservierung eines Parfüms zum Einsatz kamen. Ordóñez fand vor allem mehrere bronzene Kohlebecken beunruhigend, in denen in China während der Shang-Dynastie bei Menschenopfern zu Ehren der Götter aromatische Substanzen verbrannt worden waren. Orozco erzählte ihnen, dass die Opfer bei diesen Zeremonien im Allgemeinen Säuglinge gewesen seien, und Perdomo musste voller Entsetzen an das Tal von Hinnom denken, in dem Ane Larrazábal die Teufelsfratze entdeckt hatte.
    Im zweiten Stock vergnügte der Alchemist sich damit, ihnen die verschiedenen Phasen bei der Kreation eines neuen Parfüms zu erläutern, von der Auswahl der Rohstoffe bis zur Marketingkampagne. Hier waren die berühmtesten Düfte der Geschichte ausgestellt: das Kölnischwasser 4711; das Parfüm Shalimar, 1925 von Guerlain kreiert, der sich dabei von der Liebesgeschichte zwischen Großmogul Shah Jahan und seiner Frau Mumtaz Mahal hatte inspirieren lassen, zu deren Gedenken der Großmogul den Taj Mahal hatte errichten lassen; und natürlich das legendäre Chanel N° 5, dessen Flakon seit seiner Kreation 1921 nicht weniger als sechs Mal verändert worden war. Zwar versicherte Orozco ihnen, einer der Flakons sei der, den man in Marilyn Monroes Schlafzimmer gefunden habe, nachdem sie Selbstmord begangen hatte, doch Perdomo blieb skeptisch und hielt das schlicht für einen Werbegag.
    »Und jetzt«, sagte Orozco ausgesprochen stolz, »zeige ich Ihnen den Wintergarten im dritten Stock, wo ich mit achtzehn Jahren die Zutaten für meine ersten Experimente in der Parfümkreation gestohlen habe.«
    Perdomo sah auf die Uhr. Es war beinahe acht Uhr abends, und so erinnerte er den Parfümeur daran, dass ihr Flugzeug schon am nächsten Morgen ging. Ein wenig verdrossen, weil er seine Führung nicht zu Ende bringen konnte, ersparte Orozco ihnen die halbe Stunde, die er im dritten Stock hatte verbringen wollen, und führte sie stattdessen direkt zu seinem Atelier, das sich ganz in der Nähe der Place du Cours befand, an der das Museum lag.

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    K aum waren sie auf die Straße getreten, fiel Perdomo auf, dass Orozco, der bisher so aufgeräumt gewesen war, bedrückt wirkte und schweigsam wurde.
    »Gibt es ein Problem?«, fragte Perdomo den Parfümeur, als sie sein Atelier betraten.
    Ehe Orozco antwortete, zündete er sich eine Zigarette an und rechtfertigte sich damit, dass beinahe alle Parfümeure rauchten. Er erklärte ihnen, wenn man den Geruchssinn sehr lange beansprucht habe, wie soeben im Museum, sei dieser gesättigt und müssen wieder zum »Duft null« zurückkehren, wie Orozco es

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