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Die Violine des Teufels

Die Violine des Teufels

Titel: Die Violine des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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Milagros Ordóñez könne durch seine Schuld hier sterben oder einen dauerhaften Hirn- oder Herzschaden davontragen, war ihm unerträglich. Er fühlte ihr an der Halsschlagader den Puls und vergewisserte sich, dass ihr Herz noch schlug. Er dachte an die Wachleute und fragte sich, ob sie die Schreie der Frau gehört haben mochten. Er konnte sie suchen gehen, doch er wollte Ordóñez nicht eine Sekunde allein lassen. Als er schon sein Handy in der Hand hielt, um den Notruf zu wählen, versiegte das Nasenbluten, und Ordóñez erlangte das Bewusstsein wieder. Sie lächelte schwach, als wäre sie gerade operiert worden und erwachte nun langsam aus der Narkose.
    »Ich habe wohl ein ziemliches Spektakel veranstaltet«, sagte sie schließlich ein wenig verlegen.
    »Geht es Ihnen gut?« Perdomo reichte ihr ein Taschentuch, damit sie sich das Blut von der Nase wischen konnte.
    »Ja. Schwach und verwirrt, aber gut«, beruhigte Ordóñez ihn. »Was für ein Abend für uns beide! Zuerst versucht ein Hund, Sie zu fressen, und jetzt bekomme ich einen solchen Anfall. Puh!« Sie betastete Arme und Beine. »Mir tun sämtliche Muskeln im Leib weh. Was ist denn genau passiert?«
    Perdomo erzählte es ihr und fragte dann besorgt: »Leiden Sie an irgendeiner Form von Epilepsie?«
    »Nein, nicht dass ich wüsste. Ich bin sicher, dass das hier kein epileptischer Anfall war, Inspector.«
    »Ach nein? Und was war es dann?«
    Ordóñez machte Anstalten, aufzustehen, erkannte jedoch, dass ihr noch immer schwindelig war, und legte sich lieber wieder hin.
    »Ich habe Ihnen doch gesagt, im wahren Leben sind außersinnliche Wahrnehmungen nicht ganz so wie das Klischee, das wir aus Hollywood kennen. Sie wissen doch, was ich meine? Geist, erscheine! Zeig dich mir!«
    Perdomo, der die parodistischen Fähigkeiten der Hellseherin ja schon einmal hatte bewundern dürfen, als sie den Wachmann imitiert hatte, musste über diese neuerliche Demonstration ihrer komischen Ader lächeln.
    »Bei meinem ersten Erlebnis wollte ich selbst nicht glauben, dass es sich um eine außersinnliche Wahrnehmung handelte, weil ich so von diesen Filmen beeinflusst war. Aber so war es.«
    »Was haben Sie denn genau gesehen?«, fragte Perdomo neugierig.
    »Gesehen? Nichts, absolut gar nichts. Jedes Mal, wenn ich eine solche Wahrnehmung habe, ist nur einer der fünf Sinne betroffen. In diesem Fall – Sie haben es ja gesehen – war es der Geruchssinn.«
    »Sie wollen sagen, Sie haben den Mörder gerochen?«
    »So scheint es. Als ich dort zwischen den beiden Sitzreihen gestürzt bin, habe ich eine Art … Aufblitzen wahrgenommen. Nur nicht visuell, sondern olfaktorisch. Und es war so intensiv, dass es nicht nur Nasenbluten ausgelöst, sondern auch mein gesamtes Nervensystem auf den Kopf gestellt hat.«
    Perdomo schluckte und untersuchte dann die Lücke zwischen der dritten und der vierten Sitzreihe in der Mitte, wo die Psychologin gestürzt war. Da es sich um Klappsitze handelte, gab es dort reichlich Platz, um sich hinzulegen und zu verstecken, selbst für einen korpulenten Menschen.
    »Sie glauben, der Mörder hat sich hier versteckt?«
    »Ich glaube es nicht nur, ich bin sicher.«
    Perdomo war aufgeregt, weil er im Mordfall Ane Larrazábal nun vielleicht doch endlich eine Spur hatte, und sei sie noch so vage, doch zugleich zweifelte er die Behauptungen des Mediums an. Warum hätte der Mörder sich an einer Stelle, die so weit von der Tür entfernt war, vor seinem Opfer verstecken sollen? Falls er ihr aufgelauert hatte, wäre es doch logischer gewesen, sich hinter der Tür zu verstecken, denn der Täter hatte genau gewusst, durch welche Tür die Geigerin hereinkommen würde.
    »Sie sagen, Sie haben einen Geruch wahrgenommen. Können Sie den beschreiben?«
    »Im Augenblick bin ich zu nichts zu gebrauchen«, erwiderte Ordóñez und versuchte, einen Urinfleck auf ihrer Hose zu trocknen. Das Gewitter, das sich in ihrem Körper entladen hatte, war so heftig gewesen, dass sie auf dem Höhepunkt der Krämpfe die Kontrolle über den Schließmuskel verloren hatte.
    »Ich habe Ihnen ja gesagt, dass diese Wahrnehmung wie ein Aufblitzen war, deshalb bin ich jetzt sozusagen geblendet, was meinen Geruchssinn betrifft. Ich weiß, dass ich etwas gerochen habe, ich weiß, dass es der Geruch des Mörders war, aber ich weiß nicht, ob es sein Aftershave, sein Parfüm oder schlicht und ergreifend sein Körpergeruch war.«
    »Moment mal. Sie wollen sagen, dass dieses ganze Spektakel für nichts

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