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Die Vipern von Montesecco

Die Vipern von Montesecco

Titel: Die Vipern von Montesecco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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wurden und schließlich zu einer leise summenden Eistruhe verschmolzen.
    Er riß die Augen auf und folgte mit seinem Blick dem glitzernden Band der Straße nach Pergola, bis sie in der Ferne hinter einer Kuppe verschwand. Es waren knapp drei Kilometer, die er von oben einsehen konnte. In den vergangenenzwei Stunden waren sieben Autos nach Pergola unterwegs gewesen und fünf in der Gegenrichtung. Plus dem Briefträger auf seinem Moped. Es bestand kaum die Gefahr, einen Polizeikonvoi aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens zu übersehen. Man durfte nur nicht einschlafen.
    Franco Marcantoni war auch eine halbe Stunde später noch wach, und er übersah auch nicht die beiden Autos, die über der Kuppe erschienen und gemächlich auf Montesecco zuhielten. Das vordere mochte ein schwarzer Leichenwagen sein, gefolgt von etwas Blauem mit weißer Aufschrift, das schwer nach Polizeiwagen roch. Das waren sie. Es ging los, doch Franco Marcantoni war fast ein wenig enttäuscht. Ein einziger Streifenwagen, das war alles. Immerhin erkannte er jetzt, daß es Carabinieri waren und keine simple Gemeindepolizei, die den Inbegriff von Staatsgewalt darin sah, den Corso am Marktsamstag für den Verkehr zu sperren.
    »Willkommen in Montesecco!« murmelte Marcantoni. Er richtete den Lauf seiner Wildschweinbüchse nach oben und drückte ab. Ein paar Tauben stoben auf. Der Donner des Schusses rollte über Feld und Hügel. Kilometerweit. Wer immer auf den Feldern arbeitete, würde den Mähdrescher abstellen und ins Dorf zurückkehren. Aus den Weinbergen würden sie hocheilen, aus den Gemüsegärten am Ortsrand, würden sich mit den Hausfrauen und Alten vereinen, die in den Häusern alles stehen- und liegenließen, weil sie jetzt auf der Piazza gebraucht würden. Der Leichenwagen und seine Polizeieskorte durchquerten die Senke bei der Abzweigung nach Madonna del Piano. In ein paar Minuten würden sie hier sein. Der alte Marcantoni schulterte sein Gewehr und schlurfte ins Dorf zurück.
    Vor der Tür der Lucarellis drängte sich Schulter an Schulter, als der Leichenwagen auf der Piazza stoppte. Der Fahrer blieb hinterm Steuer sitzen, steckte sich eine Zigarette an und ließ den linken Arm aus dem offenen Fensterbaumeln. Aus dem Streifenwagen stiegen vier schwarz Uniformierte. Der Brigadiere ließ einen seiner Männer am Wagen zurück und kam mit den beiden anderen auf die menschliche Mauer zu.
    »Macht keine Schwierigkeiten!« sagte er. Er trug einen Schnauzbart und hatte den gleichen Hundeblick wie Totò.
    »Nicht, wenn ihr in euer Auto steigt und verschwindet«, sagte Paolo Garzone finster.
    »Wir tun bloß unsere Arbeit.«
    »Ihr hättet halt etwas Ordentliches lernen sollen«, sagte Ivan Garzone.
    »Los, Leute!« sagte der Brigadiere. Seine Leute zögerten.
    Milena Angiolini trat aus der ersten Reihe hervor, warf die blonden Locken zurück und strahlte den jungen Polizisten links hinter dem Brigadiere an. »Ich glaube es einfach nicht, daß ihr euch an wehrlosen Frauen vergreifen wollt. Aber wenn es denn sein muß, dann will ich von dir abgeführt werden. Pietro, nicht? Wir haben letzten Herbst auf der Sagra in Bellisio zusammen getanzt, erinnerst du dich? Du warst ja so süß!«
    »Oho!« rief Ivan Garzone.
    »Und so sensibel«, seufzte Milena Angiolini. »Hast du mir nicht gestanden, wie schlimm es ist, Polizist zu sein? Daß keiner den Menschen in dir sieht?«
    »Den Mann, meinst du? Das stimmt!« sagte Marisa Curzio. Einige lachten.
    »Einen, der mal alle fünfe gerade sein läßt«, sagte Milena Angiolini.
    Der junge Polizist übte verbissen an einem versteinerten Gesichtsausdruck.
    »Was hast du eigentlich am Samstagabend vor?« lockte Milena Angiolini.
    »Frauen schlagen«, vermutete Marisa Curzio.
    »Stiefel lecken«, meinte Ivan Garzone.
    »Leichen schänden«, sagte Franco Marcantoni.
    »Schluß jetzt!« zischte der Brigadiere. Er schritt dieReihe der Dorfbewohner ab und musterte die Gesichter. Vor Ivan Garzone blieb er stehen. »Wie heißen Sie?«
    Ivan grinste breit.
    »Ich fordere Sie auf, den Weg freizugeben«, sagte der Brigadiere. »Leisten Sie dieser Aufforderung nicht Folge, behindern Sie die Polizei in Ausübung ihrer hoheitlichen Pflicht. Sie werden angezeigt und begleiten uns zur Feststellung Ihrer Personalien. Sollten Sie auch nur den kleinen Finger erheben, machen wir Widerstand gegen die Staatsgewalt daraus, und Sie fahren so lange in den Knast ein, bis von den beiden Leichen da drinnen nur noch Skelette übrig

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