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Die Vipern von Montesecco

Die Vipern von Montesecco

Titel: Die Vipern von Montesecco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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Die Madonnenbilder?« fragte der junge Polizist. »Die Lucarellis sind religiös.«
    »Und sie achten ihre Toten.« Der Brigadiere nickte. »Wir schauen uns mal in der Kirche um.«
    Der Brigadiere wies den Fahrer an, mit dem Streifenwagen nachzukommen, und schritt voran. Wie ein Mann folgten ihm die Dorfbewohner zur Piazzetta, die bis auf einen kleinen häßlichen Hund verwaist war. Gigolo lag im Schatten des einzigen Tisches nahe der Brüstung des Balcone. In der Ferne sah man die Adria als schmalen Strich unter dem gleißenden Himmel.
    Der Brigadiere hatte keinen Blick für die atemberaubende Aussicht. Er rüttelte an der Kirchentür.
    »Verschlossen«, sagte er. Er nickte zufrieden. Die Menge sammelte sich in einem Halbkreis um ihn.
    »Aus Sicherheitsgründen«, sagte der alte Curzio.
    »Wenn hier im Dorf sogar schon Leichen gestohlen werden!« sagte Marisa Curzio.
    Der Brigadiere strahlte. Er sagte: »Ein Abgrund an Kriminalität! Gut, daß wir da sind. Dann schauen wir doch mal gemeinsam, ob etwas fehlt. Wer hat den Schlüssel?«
    »Der Pfarrer in Pergola«, sagte Lidia Marcantoni.
    »Und wer noch?«
    »Ich«, gab Lidia Marcantoni zu. »Normalerweise.«
    »Aber heute zufälligerweise nicht?«
    »Nein, heute nicht.«
    »Wer hat ihn dann? Heute?«
    Aus der Gasse ums Eck hupte es. Hinter dem Streifenwagen, der zwischen der Kapelle und dem Gedenkstein für Don Igino parkte und die Zufahrt zum Balcone versperrte. Der Fahrer des Streifenwagens sah nach hinten. Es hupte ein zweites Mal, schon etwas ungeduldiger. Der Polizist machte eine empörte Geste, stieg dann gemächlich ein und ließ den Wagen an.
    »Heute? Wer den Schlüssel heute hat?« fragte Lidia Marcantoni.
    »Ja, heute. Den Schlüssel zu dieser Kirchentür hier.« Der Brigadiere war ganz Geduld und Rücksichtnahme gegenüber begriffsstutzigen älteren Mitbürgern. Zumindest, solange sie guten Willens waren.
    »Das weiß sie nicht«, sagte Franco Marcantoni. Er drückte seiner Schwester die Hand.
    »Wenn sie es wüßte, hätte sie die Kerle schon längst beschrieben«, sagte Marisa Curzio. Sie trat einen Schritt nach vorn, um den Streifenwagen passieren zu lassen. Hinter ihm tuckerte ein weißer Kleinlaster her und verbreitete Dieselgestank. Auf der Seitenwand des Lasters umrahmten schwungvolle blau-grüne Kringel die Aufschrift GIS. Creagelati.
    »Es ist nämlich so, daß die Schlüssel auch geklaut wurden«, sagte der alte Curzio.
    »Gestern«, brummte Paolo Garzone.
    »Ungefähr zu der Zeit, als die beiden Toten verschwanden. Gott sei uns allen gnädig!« Lidia Marcantoni bekreuzigte sich.
    Der Fahrer des Lasters stieg aus, ging zum Eingang der Bar, wischte den Fliegenvorhang zur Seite und rief hinein: »Firma GIS. Helft ihr mir mal mit dem bestellten Eis?«
    »Es ist nicht deine Schuld, Lidia!« Franco Marcantoni legte den Arm um ihre Schulter.
    »Ein Abgrund an Kriminalität«, sagte der alte Curzio. »Gut, daß ihr von der Polizei jetzt da seid.«
    Das Gesicht des Brigadiere lief rot an. Das mußte an der Hitze liegen. Er war es wohl nicht gewohnt, in praller Sonnenglut vor verschlossenen Kirchentüren zu stehen. Und seine Uniform mit den Stiefeln, der festen Hose mit den netten roten Längsstreifen und der schwarzen Jacke war zwar kleidsam, aber für die Jahreszeit vielleicht etwas zu zugeknöpft.
    Gianmaria Curzio machte einen Vorschlag zur Güte: »Ihr könntet den Streifenwagen nach Pergola schicken und den Pfarrer samt Schlüssel ...«
    »Mir reicht es!« brüllte der Brigadiere. »Pietro, Marzio, brecht die verdammte Tür auf! Ich nehme das auf meine Kappe.«
    Der Brigadiere bahnte sich einen Weg durch die Umstehenden und zog einen der Stühle von der Balkonbrüstung in den Schattenstreifen an der Außenmauer der Bar. Er ließ sich darauf fallen.
    »Irgendwelche Probleme?« fragte der Fahrer des Eiswagens interessiert. Er trug ein kurzärmliges Hemd und eine Kappe mit dem Logo seiner Firma. Der Brigadiere knurrte etwas Unverständliches. Der Eiswagenfahrer zuckte die Achseln.
    »He, ist niemand da?« rief er in die Bar hinein. Dann öffnete er die Hecktür seines Lasters und holte zwei vor Kälte rauchende Kartons heraus. Er setzte sie auf dem Asphalt ab und schloß gerade die Wagentür, als Marta Garzone aus dem Eingang der Bar trat. Sie war bleich und hatte Ringe um die Augen, als ob sie die ganze Nacht nicht geschlafen hätte. Auf dem Arm trug sie die kleine Paty.
    »Na endlich«, sagte der Eismann. »Tragt das schon mal hinein, bevor es

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