Die Virus-Waffe
zwei Toten. Aber laut dem Laborleiter
sieht dieses Virus eher aus wie ein BLV.«
Richter sah ihn verständnislos an, und Hardin erbarmte
sich seiner. »Bovine Lymphotrophic Virus.« Er betonte je-
des Wort. »Es ist ein ziemlich verbreiteter Erreger, der
Rinder befällt und häufig Krebs erzeugt. Jeder Mitarbeiter
des Medical Research Council, selbst wenn er nur in bera-
tender Funktion tätig wäre, hätte zumindest schon einmal
davon gehört. Also können Sie getrost diese MRC-
Tarnung aufgeben, meinen Sie nicht auch, Mr. Richter?
Aber da Sie ja offensichtlich ein hochrangiger Ermittler
sind, habe ich vorgeschlagen, dass Sie mich nach Chaniá
begleiten und sich den Amerikaner ansehen. Aber Sie ste-
hen ganz bestimmt nicht in Diensten des MRC.«
»Also gut«, lenkte Richter ein. »Ich gebe es zu. Es erschien mir unter den gegebenen Umständen einfach nur
die passendste Rolle zu sein. Reden wir über das Virus.
Wenn es nicht besonders ansteckend ist, warum ist der
Amerikaner dann so plötzlich davon befallen worden?«
»Die Antwort dürfte in den Sporen liegen«, erläuterte
Hardin. »Soviel wir zu diesem frühen Zeitpunkt sagen
können, sind diese Sporen selbst inaktiv. Wenn sie jedoch
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mit Feuchtigkeit in Berührung kommen, platzen sie. Das
ist zwar nur eine Spekulation, aber dieser Curtis hat wahr-
scheinlich den Behälter geöffnet und Sporen eingeatmet.
Vielleicht hatte er sie auch an den Fingern und hat sich ins Gesicht gefasst. Die Feuchtigkeit im Mund oder in den Nasenschleimhäuten genügt, um sie zum Platzen zu bringen.
In dem Moment beginnt die Infektion.«
Richter nickte. »Aber Sie wissen noch nicht, um was für
ein Virus es sich handelt?«
»Nein. Wie gesagt, es sieht aus wie das Rindervirus, aber
das scheint ein Zufall zu sein. Dieses sogenannte BLV tritt
nur bei Rindern auf und agiert außerdem sehr langsam.
Wir haben es hier jedoch mit etwas zu tun, das sich wie ein
Ebola- oder Lassa-Fieber-Virus verhält, nur dass es unver-
gleichlich viel schneller wirkt. Spiros Aristides ist quasi ertrunken. Seine Lungen haben sich mit Blut gefüllt.
Das Virus scheint die endothelialen Zellen an den Wän-
den der Blutgefäße und die Blutplättchen anzugreifen. Das
führt dazu, dass diese Gefäße undicht werden, und es ver-
hindert die Blutgerinnung. Dieser Effekt beginnt bei den
Blutbahnen mit den dünnsten Wänden, denen der Augen,
des Mundes und der Nasenschleimhäute, bevor er allmäh-
lich auf andere Organe übergreift. Das Opfer fängt darauf-
hin an zu bluten, und das Blut sickert so lange durch die
Gefäßwände, bis das Opfer schließlich stirbt, weil sich seine Lungen vollgesogen haben, wie das bei Aristides der Fall
war, oder aber es stirbt aufgrund des massiven Blutverlus-
tes.«
»Was kann man dagegen tun?«
»Nichts«, antwortete Hardin grimmig. »In diesem Sta-
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dium ist meiner Einschätzung nach keine Behandlung
mehr möglich. Wir könnten natürlich Mittel spritzen, die
das Blut gerinnen lassen, sobald es den Körper verlässt.
Aber solange die inneren Blutgefäße weiter lecken, hilft
uns das nicht viel. Vergessen Sie nicht, dass Ebola seit En-
de der Siebzigerjahre bekannt ist. Dieses Virus funktioniert ganz ähnlich wie dieser neue Erreger, aber bisher hat noch
niemand eine wirksame Heilmethode gefunden. Wenn
jemand sich mit Ebola infiziert, können die Ärzte die Per-
son nur in eine sichere Quarantänestation stecken und
warten, bis sie stirbt oder sich erholt. Die meisten sterben«, setzte er mit einem traurigen Lächeln hinzu.
In dem langen Schweigen, das seiner Bemerkung folgte,
hörte Richter, wie sich das Motorengeräusch des Hub-
schraubers veränderte. Er warf einen Blick aus dem Fenster
der Schiebetür. Sie befanden sich im Landeanflug auf einen
freien Flecken in der Nähe von Chaniá, und Richter sah ein
kleines weißes Fahrzeug, das auf der Straße daneben park-
te. Gravas deutete auf den Wagen. »Ich habe das Kranken-
haus gebeten, uns abholen zu lassen«, erklärte er.
Zwei Minuten später war der Merlin gelandet. Die Ro-
torblätter über ihnen wirbelten Staub auf, während sie aus
der hinteren Kabine stiegen und mit gesenkten Köpfen zu
dem Kleinbus liefen.
Réthymnon, Kreta
Stein hatte sich entschieden. Er arbeitete schon lange für
die Firma und wusste, wie viel Bedeutung sein Arbeitgeber
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dem Erfolg jedes Einsatzes beimaß. Er konnte nicht ein-
fach aufgeben und weglaufen. Wenn er das tat,
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