Die Virus-Waffe
Nähe von Taranto, um ge-
nau zu sein«, antwortete Simpson. »Jedenfalls glauben die
Italiener das. Sie haben ein paar Fotos von jemandem ge-
schossen, auf den Lomas’ Beschreibung passt, und mit
dem Phantombild verglichen, das Sie in London angefer-
tigt haben. Sie müssen aber seine Identität bestätigen, weil Sie der einzige Mensch im Service sind, der ihn sozusagen
in Fleisch und Blut gesehen hat. Und Richter«, fuhr Simp-
son warnend fort, »wir, damit meine ich mich und die Ita-
liener, wollen Lomas unversehrt, weder zerstückelt noch
durchlöchert.«
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Kandíra, Südwestkreta
Spiros Aristides ließ sich auf dem Stuhl zurücksinken. Die
Enttäuschung war ihm ins Gesicht geschrieben. Er konnte
zwar nicht sagen, was genau er erwartet hatte, aber ganz
bestimmt nicht das, was er gefunden hatte. Den Koffer
hatte er wütend auf den Boden geschleudert, und sein In-
halt lag auf dem Tisch verstreut. Der größte und schwerste
Gegenstand war ein dicker, leuchtend roter Ordner. Aris-
tides hatte ihn aufgeschlagen und auf die Dokumente da-
rin gestarrt. Sie sagten ihm nichts. Er erkannte nur, dass sie auf Englisch verfasst waren, einer Sprache, derer er nicht
mächtig war, obwohl er ein paar Brocken verstand.
Ansonsten hatten nur noch sorgfältig verschlossene Va-
kuumflaschen aus Stahl in dem Koffer gelegen. Auf jeder
klebte ein Etikett mit der Aufschrift »CAIP« und einer
Nummer darunter. Ihre Verschlüsse waren mit rotem
Wachs und Draht versiegelt, und sie lagen in eigens dafür
ausgeschnittenen, gepolsterten Aussparungen in dem Kof-
fer. Es gab noch Fächer für acht weitere Flaschen, aber sie
waren alle leer.
Die Edelstahlflaschen waren leicht und, wie Aristides
vermutete, leer, aber das ergab irgendwie keinen Sinn. Wa-
rum sollte jemand leere Zylinder versiegeln und sie in ei-
nem Koffer verstauen, diesen mit Handschellen am Hand-
gelenk eines Kuriers sichern und anschließend an Bord ei-
nes teuren Privatjets transportieren? Es musste einfach et-
was Wichtiges darin sein.
Aristides nahm jetzt zum dritten Mal eine Flasche in die
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Hand und schüttelte sie dicht an seinem Ohr, konnte je-
doch nach wie vor kein Geräusch im Inneren des Behälters
hören. Vielleicht, sinnierte er, enthielten sie ja kleine Mengen einer sehr reinen Droge, Heroin oder vielleicht Ko-
kain. Es gab nur einen Weg, das herauszufinden: Er musste
eine Flasche öffnen.
Aristides musterte das obere Ende eines Behälters. Er
konnte den Stöpsel nicht sehen, weil dieser mit einer dich-
ten, roten Masse bedeckt war. Fast als wäre er in eine
Schüssel mit geschmolzenem Wachs getaucht worden, um
das Gefäß luftdicht zu versiegeln. Über dem Wachs lag ein
Drahtnetz, dessen dünne Stränge tief in die Oberfläche
einschnitten und um den Hals des Behälters festgedreht
worden waren. Wer diese Flaschen versiegelt hatte, wollte
ganz offensichtlich verhindern, dass sie zufällig geöffnet
wurden. Aristides nickte. Vielleicht waren es Drogen, und
er konnte möglicherweise doch noch Profit aus seiner Pla-
ckerei schlagen.
Aristides verwahrte in seinem Werkzeugkasten eine
scharfe Drahtschere und hatte das Drahtnetz um den Fla-
schenhals in wenigen Sekunden durchgeknipst. Um den
Draht aus dem Wachs zu ziehen, brauchte er etwas länger,
aber nach zehn Minuten hatte er alles entfernt. Jetzt hatte
er nur noch den Wachskorken vor sich.
Der einfachste Weg, ihn zu entfernen, war, das Wachs
zu schmelzen. Also ging er in die Küche, griff neben den
Herd, und drehte den Knopf der kniehohen, blauen Gas-
flasche auf. Dann betätigte er den großen, verblichenen
Schalter am Kocher und zündete das Gas mit einem
Streichholz an. Er ging zum Tisch zurück und nahm die
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luftdicht verschlossene Flasche in die Hand, als sich seine
angeborene Vorsicht meldete.
Angenommen die Hitze der Gasflamme zerstörte den
Inhalt, bevor das Wachs geschmolzen war? Oder schlim-
mer noch, wenn er sich nun irrte, was den Inhalt anging?
Wenn die Flasche etwas Explosives enthielt, keine Drogen,
und ihm beim Erhitzen um die Ohren flog?
Nein, die sicherste Option war sein Messer. Aristides
ging in die Küche zurück, stellte das Gas ab und setzte sich dann wieder an den Tisch. Dort öffnete er sein altes Klapp-messer, setzte die Spitze vorsichtig an das rote Wachs am
Hals der Flasche und drehte sie mit der Linken, während
seine Rechte die Klinge des Messers gegen das Wachs
presste. Die scharfe Schneide drang
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