Die Virus-Waffe
keine Attrappe. Er hatte
den Air Commander überredet, sie mit zwei Munitions-
packs zu bestücken. Damit verfügte jede Kanone über ein-
hundert Schuss.
170
Normalerweise ist die FA2 Sea Harrier nur mit Missiles
in verschiedenen Kombinationen bewaffnet. Richter hatte
es für überflüssig gehalten, Wings zu bitten, ihn mit schar-
fen Sidewinders oder AMRAAMs zu bestücken. Aber weil
er keine Ahnung gehabt hatte, was Simpson in Italien vor-
hatte, hatte er es für klug gehalten, sich zu bewaffnen, zu
Zwecken der Selbstverteidigung sozusagen. Die nahelie-
gendste Lösung bot die Aden-Bordkanone, und die Tech-
niker der Staffel hatten einige Stunden benötigt, um dieses
Prachtstück in seine Maschine einzupassen.
Der Lastwagen bog auf den Parkplatz ein und kam mit
quietschenden Reifen beinahe unmittelbar vor der Harrier
zum Stehen. Bewaffnete Luftwaffensoldaten sprangen von
der Pritsche und richteten ihre Sturmgewehre auf das
Flugzeug. Richter unternahm nichts, weil er darauf warte-
te, dass die Limousine anhielt. Als sie es tat, blockierte sie den Zugang zum Rollfeld, und zwei ebenfalls bewaffnete
Offiziere sprangen heraus.
Jetzt reagierte Richter. Er verstärkte den Schub des Pe-
gasus-Triebwerks und drückte das rechte Ruderpedal he-
runter. Die Harrier schwang etwas nach rechts, bis ihre
Nase direkt auf den hinteren Teil des abgestellten Lastwa-
gens deutete. Richter überzeugte sich, dass keiner der Sol-
daten in der Schusslinie war, drückte den Abzug der Aden-
Kanone und ließ ihn nach einer knappen Sekunde wieder
los. Es hörte sich an, als würde man Kattun zerreißen, und
der hintere Teil des Lastwagens löste sich einfach in Luft
auf. Die Wucht der etwa fünfzig 30-mm-Geschosse, die
aus knapp zwanzig Metern abgefeuert worden waren, zer-
legten ihn schlicht in seine Bestandteile. Der Rest des Last-171
wagens wurde in einem Halbkreis herumgeschleudert, und
Richter schaute in das entsetzte Gesicht des Fahrers im
Führerhaus.
Der gewünschte Effekt trat augenblicklich ein und ent-
sprach exakt Richters Erwartungen. Die Soldaten zerstreu-
ten sich und verschwanden hinter allem, was ihnen De-
ckung bot. Richter betätigte den Schubregler, und die Har-
rier bewegte sich wieder. Sie rollte nun auf die Limousine
zu. Dem Fahrer dämmerte, dass seine Überlebenschance
größer sein könnte, wenn er sein Fahrzeug aus der Schuss-
linie schaffte, also trat er das Gaspedal durch und kurbelte wie wild am Lenkrad. Der Wagen schoss auf den Parkplatz. Damit gab er der Harrier den Weg auf das Rollfeld
frei.
In der Zwischenzeit hatte sich die zweite Verteidigungs-
linie der Italiener aufgebaut. Drei schwere Feuerlöschfahr-
zeuge blockierten Schnauze an Heck die gesamte Breite
der Startbahn. Nur benötigte Richter keine Startbahn. Er
drehte die Harrier auf dem Rollfeld und gab Vollgas. Sein
Vogel rollte an. In vier Sekunden war die Harrier auf ein-
hundert Knoten, und als sein ASI knapp zwei Sekunden
später eine Geschwindigkeit von einhundertfünfzig Kno-
ten anzeigte, drehte er die Ausstoßdüsen um fünfzig Grad
nach unten. Die Harrier sprang mit einem mächtigen Satz
in den Himmel.
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American Airlines 747,
Direktflug Baltimore-London Heathrow,
über dem Westatlantik
David Elias stocherte lustlos und abwesend in der Mahlzeit
herum, die auf dem Klapptisch vor ihm stand. Obwohl das
Frühstück schon höllisch lange her war, hatte er keinen be-
sonderen Hunger, und in Flugzeugen kam ihm selbst die
beste Verpflegung zumeist ungenießbar vor.
Doch diesmal bereitete ihm nicht das Essen Unbehagen.
Seit dieser McCready die Einsatzbesprechung in diesem
sicheren Haus in Arlington eröffnet hatte, fragte sich Elias, was zum Teufel er bei diesem Einsatz zu suchen hatte.
Nicht, dass er eine Wahl gehabt hätte. Sein Vorgesetzter hatte ihn schließlich dazu abkommandiert. Eine Ableh-nung hätte sich negativ auf Elias’ berufliche Zukunft aus-
gewirkt. Und außerdem war seine Rolle ziemlich einfach.
Für alle Aspekte des Einsatzes waren ausschließlich
Krywald und Stein verantwortlich, das hatte McCready
klargestellt. Krywald war der Leiter der Aktion. Elias
brauchte nur einen einzigen Tauchgang auszuführen, so-
bald sie ihr Ziel erreicht hatten. Wenn auch vermutlich in
sehr großer Tiefe.
Das war ebenfalls eine Überraschung gewesen. Elias
wusste über Kreta nur, dass es ein beliebtes Urlaubsziel im
Mittelmeer war. Seines Wissens hatte die Firma weder
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