Die Virus-Waffe
Dinge
etwas abgekühlt haben.«
»Das passt mir gut. Ich kann sowieso in absehbarer Zeit
nicht abfliegen, weil wir im Moment vor Kreta liegen.«
»Warum?«
»Irgendein medizinischer Notfall. Das Schiff wurde hier
in Stellung gebracht, um Waren und Leute herumzukut-
schieren.«
»Gut. Dann bleiben Sie die nächsten sieben Tage an
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Bord. Sollte dieser Einsatz länger als eine Woche dauern,
gehen Sie an Land und kaufen Sie sich in Heraklion ein
Heimflugticket. Natürlich Economy-Klasse.«
»Natürlich.«
»Ach, und Richter …?«
»Was noch?«
»Ich würde die nächsten Jahre keinen Urlaub in Rimini
planen, wenn ich Sie wäre.«
240
10
Mittwoch
Réthymnon, Kreta
Manchmal verursachen nicht Route oder Dauer einer Rei-
se das größte Unbehagen oder den schlimmsten Jetlag,
sondern nur die Umstände, nichts weiter.
Als David Elias seinen Lincoln am Morgen zuvor nach
Langley gesteuert hatte, hatte er einen ganz normalen Ar-
beitstag erwartet, an dem er ungeordnetes Geheimdienst-
material aus dem Pazifischen Raum analysieren, Berichte
schreiben und Zusammenfassungen dieser Nachrichten
verfassen würde.
Stattdessen war er zu seiner ersten Einsatzbesprechung
bestellt worden, wo man ihm Instruktionen gegeben hatte,
die zwar offensichtlich von ganz oben kamen, deren Hin-
tergrundinformationen für ihn aber kaum Sinn machten.
Er war der dritte Mann eines verdeckt operierenden
Teams, dessen beide andere Mitglieder er noch nie gese-
hen hatte und die nicht gerade entzückt über die Idee wa-
ren, einen Analytiker mitzunehmen. Anschließend hatte
man ihn in einen Wagen verfrachtet und nach Baltimore
gebracht, wo er in einen Jumbojet stieg, der ihn zum Lon-
doner Flughafen Heathrow brachte.
Doch die Landung der 747 verzögerte sich um zwanzig
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Minuten, und sie schafften es nicht mehr rechtzeitig zum
Abfluggate. Sie verpassten ihre Maschine nach Kreta und
mussten drei Stunden auf den unbequemen Sitzen in der
Abflughalle herumhocken, bevor sie den nächsten Flug
nach Heraklion erwischten. Die Taxifahrt nach Réthym-
non dauerte endlos, und als sie schließlich ankamen, stell-
ten sie fest, dass sie nicht gerade in einem Fünf-Sterne-
Hotel untergebracht waren.
Deshalb war es wohl nicht überraschend, dass Elias
schnurstracks auf sein Zimmer ging, seine Reisetasche auf
den Boden fallen ließ, Jackett, Krawatte und Schuhe ableg-
te und auf das Bett fiel. Drei Minuten später schlief er fest.
Krywald und Stein dagegen waren aus härterem Holz
geschnitzt. Und außerdem auch an solche Reisen gewöhnt.
Sie hatten angrenzende Zimmer gebucht, während Elias in
einem Einzelzimmer am Ende des Flurs untergebracht
war. Sobald sie ihr Gepäck verstaut und geduscht hatten,
schaltete Krywald sein Notebook an, steckte die Lan-
Verbindung zu seinem Handy ein und wählte einen nicht-
registrierten Server in den Vereinigten Staaten an.
Er hatte drei E-Mail-Nachrichten, die alle mit McCrea-
dy unterzeichnet waren, jedoch von Nicholson kamen. Die
drei Mails waren mit dem PGP-Programm verschlüsselt.
Krywald brauchte nur ein paar Minuten, um sie zu de-
chiffrieren. Die erste bestätigte die Einzelheiten der offen-kundigen Arrangements, die Nicholson für sie getroffen
hatte. Wo sie ihren Leihwagen, das Boot und Elias’ Aus-
rüstung abholen sollten. In der zweiten Nachricht fand
Krywald ähnliche Informationen für den verdeckten Teil
der Operation, den Sprengstoff, die Zünder und ihre per-
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sönlichen Waffen betreffend. Die dritte Mail war die inte-
ressanteste, oder vielmehr die beunruhigendste.
Nicholson hatte sie abgeschickt, nachdem er den über-
setzten Zeitungsartikel über den angeblichen Filovirus-
Toten in Kandíra in der CIA-Datenbank gelesen hatte. Die
Nachricht war kurz und bündig. Krywald und sein Team
mussten ihre vorbereiteten Rollen abändern und sollten als
amerikanische Journalisten oder CDC-Personal auftreten,
das den medizinischen Notfall auf Kreta untersuchte. Sie
sollten so rasch wie möglich nach Kandíra gehen, sich Zu-
gang zu Spiros Aristides’ Haus verschaffen und es gründ-
lich durchsuchen. Nicholsons Plan könnte vermutlich
funktionieren, stellte Krywald fest, als er die Mail zum dritten Mal durchlas.
Der Koffer mit den Vakuumflaschen befand sich Nichol-
sons Einschätzung zufolge vermutlich noch im Haus des
Toten, weil die örtliche Polizei ihn übersehen oder igno-
riert hatte. Die Zerstörung des Flugzeuges besaß jetzt
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