Die Virus-Waffe
zwar schon lange
nicht mehr, aber mir macht die Möglichkeit Sorge, dass El
Kaida Kreta als Versuchsterrain für eine Biowaffe ausge-
sucht haben könnte, die sie entwickelt, oder schlimmer
noch, illegal gekauft haben.«
»Von Russland?«
»Von Russland oder Großbritannien oder Amerika oder
dem Iran oder Syrien oder China oder noch einem Dut-
zend anderer Länder. Überall auf der Welt gibt es biologi-
sche und chemische Waffenlager, und auch die Herstel-
lung solcher Kampfstoffe ist nicht allzu schwierig, sofern
man die richtigen Labors besitzt. Sarin basiert auf einem
Insektizid, also sind seine Zutaten überall frei erhältlich.
Man muss bei der Herstellung allerdings aufpassen und
dafür sorgen, dass es keine undichten Stellen gibt, aber ei-
nigermaßen gut ausgestattete chemische Laboratorien
können es mit Leichtigkeit herstellen.«
»Die Zahl der Todesopfer in Tokyo war vergleichsweise
gering. Wie gefährlich ist Sarin?«, wollte Simpson wissen.
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»Sehr gefährlich«, antwortete der Direktor. »Die tödli-
che Dosis liegt bei etwa sechs Milligramm. Das sind etwa
0,0002 Unzen, und man muss es nicht mal einatmen. Ein
Tropfen auf die Haut genügt, um Sie zu töten. Dabei ist die
Wirkung von Sarin noch relativ bescheiden im Vergleich
zu dem, was man heute so zusammenbraut.«
»Und Sie halten das hier für einen Biowaffenangriff mit
Sarin?«
Der Direktor schüttelte den Kopf.
»Nein. Sarin ist ein Nervengas. Also ist es ein chemi-
scher Kampfstoff, kein biologischer. Hätte man Sarin be-
nutzt und es professionell eingesetzt, wären viel mehr
Menschen auf Kreta gestorben. Vielleicht sogar alle Be-
wohner dieses Dorfes. Es hätte sie außerdem alle gleichzei-
tig und mehr oder weniger auf die gleiche Weise getötet.
Nein, hier haben wir es mit ziemlicher Sicherheit mit ei-
nem biologischen Erreger zu tun, aber er könnte auch
vollkommen natürlichen Ursprungs sein und nicht das
Geringste mit einer terroristischen Organisation zu tun
haben.«
»Erläutern Sie das.«
»Meiner Meinung nach gibt es für diesen Vorfall auf
Kreta nur zwei Erklärungen. Die erste ist, dass es sich um
den Ausbruch einer bereits bekannten, aber seltenen Seu-
che handelt, die der Arzt vor Ort aus irgendeinem Grund
nicht erkannt hat. Kein Arzt kennt alles, auch wenn dieser
Berufsstand uns gern das Gegenteil weismachen will, und
ein praktizierender Arzt auf Kreta behandelt hauptsächlich
Touristen wegen Sonnenbrands und Magenbeschwerden.
Er dürfte sich kaum mit selteneren Krankheiten ausken-
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nen, zum Beispiel dem Lassa-Fieber oder Marburg oder
Ebola …«
»Moment«, unterbrach ihn Simpson. »Die kenne ich.
Sie sind höchst ansteckend. In diesem Fall hätten wir es
nicht nur mit einem einzelnen Todesopfer zu tun.«
»Das muss nicht stimmen. Selbst wenn dieser griechi-
sche Taucher sich Ebola eingefangen hat, ist die Inkubati-
onszeit dieses Virus lange genug, dass er sich schon vor ei-
niger Zeit infiziert haben könnte. Das heißt, er könnte be-
reits andere Leute angesteckt haben, die noch kein Anzei-
chen dieser Seuche aufweisen. In ein oder zwei Wochen
haben wir vielleicht noch ein Dutzend Todesfälle.«
»Okay«, meinte Simpson nachdenklich. »Das klingt lo-
gisch. Wie lautet die andere Erklärung?«
»Das weniger wahrscheinliche, aber besorgniserregen-
dere Szenario wäre, dass es sich um einen biologischen
Kampfstoff handelt, aber um einen mit einer niedrigeren
Sterblichkeitsrate oder einer schwächeren Ansteckungs-
quote. Soweit ich weiß, wurde bisher nur ein Todesfall bes-
tätigt, und sofern es mittlerweile nicht bereits viele ernstlich erkrankte Menschen in diesem Dorf gibt, von denen
wir nichts wissen, dürfte die Ursache ein wenig wirksamer
Killer sein.«
Simpson strich sich über das Kinn.
»Gut. Unser Problem ist, dass wir in diesem Stadium
nicht wissen, welche dieser beiden Erklärungen zutrifft.
Ein seltenes, natürlich auftretendes Virus beziehungsweise
ein anderer biologischer Erreger oder aber ein künstlich
hergestellter biologischer Kampfstoff. Das Ergebnis ist je-
doch in dieser Phase dasselbe: Ein Mann ist tot, und es gibt 257
möglicherweise eine Vielzahl von anderen Leuten, die das
Virus in sich tragen, aber im Moment noch keine Symptome zeigen.«
»Das fasst es ziemlich genau zusammen.«
»Vauxhall Cross hat uns aufgefordert, Nachforschungen
anzustellen, also sollten wir etwas unternehmen. Was
empfehlen Sie?«
»Von hier
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