Die Virus-Waffe
vermutlich mit-
genommen.
Doch auch ohne konkreten Beweis machte seine
Schlussfolgerung Sinn. Wahrscheinlich erklärte sie auch,
aus welchem Grund Spiros und Nico gestorben waren,
und warum niemand sonst in Kandíra infiziert war. Die
beiden Männer waren von einem unbekannten Erreger ge-
tötet worden, der in einer Art Flasche aufbewahrt worden
war, die mit Wachs und Draht versiegelt gewesen war.
Vermutlich hatten sie das Gefäß hier in Spiros’ Haus ge-
285
öffnet, sich infiziert und waren wenige Stunden später ge-
storben.
Hardin hatte zwar nach wie vor keine Ahnung, was ge-
nau die beiden Männer getötet hatte, aber er wusste bereits
mehr als zu dem Zeitpunkt, in dem er das Haus betreten
hatte. Es bestand zwar die Möglichkeit, dass er es mit ei-
nem seltenen, aber natürlich auftretenden Pathogen, ei-
nem tödlichen Virus oder Ähnlichem zu tun hatte, das aus
irgendeinem Grund in der fest versiegelten Flasche aufbe-
wahrt worden war, welche die beiden Griechen bedauerli-
cherweise geöffnet hatten. Die andere, wahrscheinlichere
Möglichkeit war jedoch, dass dieses Pathogen ein künstlich
erzeugter Erreger war, eine Biowaffe, die in einem unbe-
kannten und geheimen Level-4-Laboratorium gezüchtet
worden war. Ein illegales, schnell wirkendes und tödliches
Virus oder ein Gift.
Es war warm im Haus, und Hardin schwitzte in seinem
luftdichten, biologischen Schutzanzug, aber bei diesem
Gedanken überlief es ihn kalt.
286
12
Mittwoch
HMS Invincible, Kretisches Meer
»Was sollen wir tun?« Der Air Commander schaute Rich-
ter an, der an einem Schott im Flyco auf der Backbordseite
der Brücke lehnte.
»Meine Instruktionen sind ein wenig vage«, erwiderte
Richter mit einem unmerklichen Lächeln. »Das kommt
häufiger vor. Ich soll in Kreta an Land gehen und heraus-
finden, ob diese Epidemie natürlichen Ursprungs ist, oder
ob sie von einem künstlichen Erreger ausgelöst wurde, der
ausgesetzt wurde. Meine Abteilung«, Richter erwähnte so
gut wie nie den Namen der Organisation, in deren Lohn
und Brot er stand, »macht sich Sorgen, dass es sich hierbei
möglicherweise um einen Test für einen terroristischen
Anschlag handeln könnte.«
»Ist das wahrscheinlich?«
Richter zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich ehrlich
gesagt nicht, Sir. Jedenfalls macht man sich in London
Sorgen, dass El Kaida oder andere Terrororganisationen
eine biologische oder chemische Waffe entwickelt haben
könnten, die sie in einem dicht bevölkerten Gebiet einset-
zen wollen. Kreta ist möglicherweise nur ein Testlauf, der
bestätigen soll, ob der Erreger tatsächlich funktioniert. Der 287
elfte September hat ja hinlänglich bewiesen, dass diese
Leute genug Ressourcen und Entschlossenheit für einen
Angriff gegen den Westen besitzen. Das Praktische an sol-
chen Erregern ist, dass man sie aus der Ferne auslösen
kann. Man braucht nur einen Zeitzünder. Sie brauchen
nicht mal Selbstmordattentäter einzusetzen.«
»Ich könnte das verstehen, wenn ein solcher Angriff auf
London oder New York erfolgt wäre«, erwiderte der Air
Commander. »Aber Kreta ist nicht gerade ein Brennpunkt
englischer oder amerikanischer Interessen. Warum sollten
sie ausgerechnet hier angreifen?«
»Wie ich schon sagte, Sir, es ist vielleicht nur ein Test-
lauf. Man nimmt an, dass die Organisation Kreta ausge-
wählt hat, um auszuprobieren, wie effektiv der Erreger
ist, den sie ausgebrütet, gekauft oder gestohlen hat. Wäre
niemand gestorben, hätten Sie sich hinter ihr Zeichen-
brett geklemmt und etwas Neues entworfen. Sterben je-
doch Menschen, beweist das, dass er wirkt. Dann schaf-
fen sie diese Büchse der Pandora vielleicht nach Islington
oder Washington oder sonst wohin und machen dort
Ernst. Ich habe jedenfalls den Befehl, an Land zu gehen,
mit den Leuten vom CDC zu reden und herauszufinden,
was ihrer Meinung nach diese kleine Epidemie ausgelöst
hat.«
»Wollen Sie direkt nach Kandíra fliegen?«
Richter schüttelte den Kopf. »Nein. Ich brauche eine
Unterkunft und muss mobil bleiben. Soweit wir wissen,
gibt es in Kandíra kein Hotel. Und das einzige Fortbewe-
gungsmittel, das man dort vermietet, dürfte ein Esel sein.
Der Flughafen von Heraklion wäre gut. Dort kann ich mir
288
einen Wagen mieten, ein Hotel für die Nacht suchen und
dann morgen früh nach Kandíra fahren.«
»Einverstanden«, erwiderte Wings. »Besser Sie als ich.
Ich gebe dem Ops Bescheid, dass er Sie in
Weitere Kostenlose Bücher