Die Vision
denn darauf kommt es an! Also, ich kann ewig warten, bis Ihr mit ihm zurück seid, liebe Mistress, und alle anderen hier auch.« Will, der Hausverwalter, schloß sich ihr an, ebenso Bess und Tom und alle anderen. Alle nickten stumm und zustimmend. Die Augen wurden mir feucht. Für so gute Leute wie sie gab es immer Stellen. Nicht jeder hat soviel Glück mit seinem Hausgesinde wie ich.
»Master Kendall sagt, ohne Lohn könnt ihr nicht warten, laßt es uns also mit der Täfelung versuchen.« Stumm ergriff Robert le Clerc die Kerze und beleuchtete die nahtlos aneinandergefügte, vertäfelte Wand, während ich mit den Händen fühlte und auf das leise Geräusch in der Luft, nämlich Master Kendalls Stimme horchte. Nach seinen Anweisungen tastete ich die Einkerbungen und Vertiefungen ab, während die anderen wie gebannt zuschauten. Ich klopfte und fragte ihn um Rat, während ich die kunstvoll geschreinerte, kleine Geheimtür zu öffnen versuchte.
»Ah!« Die Zuschauer holten einhellig Luft, als mir ein Stück der Täfelung in die Hand fiel und dahinter ein dunkles, kleines Loch zum Vorschein kam.
»Da, Margaret.« Master Kendalls Stimme klang gelassen, obschon sie fast in dem neuerlich einsetzenden Regengeprassel auf dem Dach unterging. »Nimm die kleine Börse da rechts an dich, ohne sie aufzumachen, und steck sie dir ins Kleid. Wenn ich mich recht entsinne, enthält sie zehn, zwölf Goldflorin. Die wirst du für dich brauchen, doch leider dürfte es nicht genug sein. In der größeren Börse ist Silber. Öffne sie vor aller Augen und bezahle damit meine Außenstände. Ich würde mich zu Tode schämen, wenn ich nicht schon tot wäre, hielte man mich für knauserig.«
Ich griff mit der Hand tief in das Loch, bemühte mich, nicht an Spinnen zu denken und holte die größere Börse heraus. Während alle in Jubelgeschrei ausbrachen, versteckte ich unbeobachtet die kleinere. Doch als ich alles bezahlt hatte, blieb mir nur noch ein einziger Silberpenny. Wenn der nicht klein aussah, als er da auf meiner Hand lag. Es reichte nicht. Und die zwölf Florin reichten auch nicht, auch wenn sie aus gutem Gold waren. Selbst wenn ich ihn freikaufen könnte, dann nicht für diese Summe. Alles seine Schuld, was mußte er sich auch zum Ritter schlagen lassen. Das hat den Preis hochgetrieben. Allein bei dem Gedanken regte ich mich schon wieder auf. Man weiß doch, wie stolz Ritter auf ihr Lösegeld sind. Je mehr sie kosten, desto größer die Ehre. Ei, da gibt es doch Ritter, die ihr Lösegeld so hoch ansetzen, daß sie eine Ewigkeit nicht nach Hause können, nur damit sie sich bei ihrer Rückkehr nicht vor ihren Standesgenossen schämen müssen. »Ich bin ein großer Mann, setzt mich hoch an«, sagen sie. Und dann jagen und huren sie auf Ehrenwort mit ihren Kerkermeistern, die eher Gastgeber sind, während ihre Leute daheim knausern und borgen. Klar, wenn man meint, daß jemand das Lösegeld nicht aufbringen kann, dann macht man kurzen Prozeß mit ihm. So kommt diese Abmachung – wie die meisten dieser Sorte – wieder einmal den Reichen und nicht den Armen zugute.
»Es reicht nicht; ich brauche jemanden, der etwas von Geld versteht«, sagte ich bei mir, als ich die Münze in die Börse an meinem Gürtel tat.
»Wer wohl? Jemand von der Bank? Master Wengrave kennt einige sehr verläßliche.« Bei Mistress Wengraves Worten merkte ich, daß ich laut gedacht hatte.
»Nein«, sagte ich. »Leute von der Bank vergeben Anleihen, und mir würde kein Mensch auf der ganzen Welt helfen. Ich brauche jemanden, der Geld aus dem Nichts zaubern kann. Ich brauche Bruder Malachi.«
»Das läßt sich interessant an«, sagte Master Kendalls Geist, dessen Laune sich sichtlich besserte. »Margaret, du bist schon immer unendlich erfinderisch gewesen.«
Und so schickte Mistress Wengrave noch am selben Nachmittag einen Jungen durch den strömenden Regen zu Mutter Hilde, um herauszufinden, ob Bruder Malachi schon zurückgekehrt war. Und als sich der Junge dann vor dem Feuer trocknete, da frohlockte alles bei der Kunde, daß Bruder Malachi mit seinem Katzeninstinkt für behagliche Plätzchen mit Sim gerade eben vor dem Wetterumschwung eingetroffen war und von guten Nachrichten nur so übersprudelte.
»Bruder Malachi, Ihr seht also, ich stehe vor einem gewaltigen Problem. «Ich saß auf einer Bank an der Herdstelle und hielt die feuchten Schuhe und den dreckbespritzten Saum meines Kleides vors Feuer. Meine schmutzigen Stelzschuhe standen auf den Fliesen der
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