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Die Vision

Die Vision

Titel: Die Vision Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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hatte sich eine Blume hinters Ohr gesteckt und bestellte neue Vorhänge für das Brautlager.
    »Und schön obendrein, so sagt man«, fiel Robert ein, denn er brannte immer auf alles, was neu und weiblichen Geschlechts war.
    »Ja, und mit hundert Hektar auf ihren Namen und einem Stammbaum, den man auf beiden Seiten drei Jahrhunderte zurückverfolgen kann. Robert, ich sage dir, das ist eine vornehme Heirat – eine, die mir entgangen wäre, hätten wir nicht letztens Glück gehabt.«
    Robert nickte frohgemut. Er dachte, Hugo meinte die Gefangennahme des französischen Ritters, dessen Auslösung er dem König für eine Riesensumme verkauft hatte. Er und Damien konnten davon einen Hausstand gründen, auch wenn sie ein Drittel davon an Hugo hatten abgeben müssen. Der arme Kerl war mit einem halben Dutzend anderer, die in der gleichen Klemme saßen, auf einem Karren abtransportiert worden, ohne Rüstung und starr über die Schande, die er über sich gebracht hatte. Der König würde natürlich noch tüchtig aufschlagen, ehe er den Mann von seiner Familie auslösen ließ. Auf diese Weise finanzierte er sein Wohlleben. Krieg ist schließlich nichts anderes als Geschäft, nur mit anderen Mitteln.
    »Nicht zu fassen«, sagte Master Kendalls Geist an jenem Abend, als die Kinder schliefen. »Da schwebe ich wegen ein bißchen Freibeuterei und ein paar Bettabenteuern – natürlich lange bevor ich dich kannte, Margaret – zwischen Himmel und Erde, und diese Kerle betreiben das in viel größerem Stil, als ich mir je hätte träumen lassen, und das auch noch mit dem Segen des Bischofs!« Er saß auf der Bettkante, eine dunstige Gestalt im Mondschein, während Margaret in ihr Kissen schluchzte.
    »Hör auf, Trübsal zu blasen, Margaret, setz dich auf. Ich will dir den Trick zeigen, mit dem die Wechsler arbeiten – das bringt dich zum Lachen.«
    »Wie kannst du nur so fröhlich sein, wo Gregory tot ist? Du bist überhaupt nicht nett«, kam eine gedämpfte Stimme aus dem Kissen.
    »Tot? Wer sagt denn, daß er tot ist? Setz dich auf und laß dir den Trick von mir zeigen – du mußt mir dabei helfen, ich kann doch nichts heben – dieser Tage nicht einmal mehr einen Kiesel.«
    »Was meinst du mit nicht tot?« Ein Auge lugte aus dem Kissen und musterte seine diesige Gestalt.
    »Nicht tot, meine ich damit. Er ist vielleicht vermißt, aber tot ist er nicht. An mir kommt nämlich jeder auf dem Weg nach oben oder unten vorbei, aber er war nicht darunter. Und weil du dich so gegrämt hast, habe ich nachforschen lassen – habe ein paar Burschen getroffen, mit denen er losgezogen ist –, alle ganz scheußlich zugerichtet, schleppten abgehackte Gliedmaßen, Köpfe und dergleichen mit. Sie haben ihn nicht gesehen. Wo auch immer er ist, Margaret, tot ist er nicht. So, und jetzt setz dich auf und spiele mir zuliebe mit.«
    Margaret spürte, wie sich eine schwere Wolke hob.
    »Schwörst du?« sagte sie und setzte sich auf.
    »Bei meiner Liebe zu dir«, sagte Master Kendall und sah dabei seinem früheren, munteren Ich so ähnlich, daß Margaret lächeln mußte.
    »Also dann«, sagte er. »Nimm das kleine Stückchen Gips, das da auf dem Fußboden, und tu so, als ob es ein falsches Goldstück ist, und das Steinchen da ist echtes Gold. Schieb dir ersteres in den Ärmel – nein, nein, nicht so, das mußt du anders machen –, ja, gut, so.« Während Margaret den Trick übte, mußte sie lächeln. Ganz Roger Kendall; er besaß, ob lebendig oder tot, die Gabe, Menschen zum Lächeln zu bringen. Ich werde nie aufhören, dich zu lieben, dachte sie, als Master Kendall verkündete, sie sei nun reif, das Gewerbe des Wechslers aufzunehmen, falls es sich einmal als nötig erweisen sollte.
    »Schade, daß du nicht nach London kannst«, sagte er. »Dort könntest du dich bei heimkehrenden Rittern nach seinem Verbleib erkundigen.«
    »Und selbst wenn ich das wüßte, wie sollte ich jemals das Lösegeld aufbringen? Ich habe keinen Penny mehr.«
    »Ha! Und von Sir Hugo wirst du auch keinen einzigen bekommen«, verkündete Roger Kendall. »Der will erben, der habgierige Schuft, deshalb ist ihm daran gelegen, daß hier alles beim Alten bleibt. Nein, Margaret, du mußt nach London, und dort zeige ich dir, wo ich etwas beiseitegelegt habe.«
    »Beiseitegelegt? Die Lombarden haben doch alles bekommen, oder es ist auf gräßliche Pferde vergeudet worden.«
    »O nein, ist es nicht. Das wäre mir ein schöner Kaufmann, der Vertrauen in die Welt setzte! Unser Haus,

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