Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)
Krug Honig in der Hand. »Ich«, begann sie mit geröteten Wangen, »habe Honig geholt, damit du eine Latwerge rühren kannst. Die Kräuter sind bereits zerstoßen. Diese Arznei wird sie gewiß schlafen lassen.«
Rebecca warf ihr einen mißtrauischen Blick zu, wie neugierig war dieses Weib?
II.
Ein Totentanz
1
D as Licht von fünfzig Fackeln, flackernden Talglichtern und zitternden Kerzenflammen erhellte den Hof des Kaufmannshauses. Funkelnd hoch standen dazu die Sterne am frostklaren Nachthimmel, wie die Bilder goldener Töne. Süß füllte Musik die Luft. Das melancholische Schweben der Laute mischte sich mit dem jubilierenden Klang heller Flöten, das satte Moll der Viola da Gamba mit dem zirpenden Klingeln von Zimbeln. Der ganze Hof atmete festlichen Glanz.
Theodor Birckmann registrierte es mit einem Anflug neidischer Bewunderung, während er den Leuchtenmann, der ihn durch finstere Gassen hergeführt hatte, entlohnte. Van Geldern entfaltete also seinen ganzen Kaufmannsluxus. Was war da zu halten von den Gerüchten über zerrüttete Finanzen, mißglückte Geschäfte, überreizte Kredite?
Schwere, lockende Düfte wehten von der Küche zu ihm herüber. Tropfendes Fett von Mastochsen, der stechende Geruch von Ingwer, fast schmeckte Birckmann das Salz der geräucherten Austern auf der Zunge. Das Trappeln von Hufen ließ den Doktor herumfahren. Eitle Spanier! Was für ein Unsinn, den unebenen Weg vom Hafen auf Pferderücken zurückzulegen. Zu Fuß kam man sicherer und schneller voran. Die Fackelträger des Trosses steckten ihre Lichter in die Erde und packten die mit reichen Schabracken geschmückten Tiere beim Zaumzeug. Cristobal de Castellanos saß ab und rückte sein Barett gerade. Hochmütig stand er da und wartete, bis ein Page seine Stiefel abgewischt hatte. Dann drehte er kurz den Kopf und nickte einem Begleiter zu, der an seine Seite trat. Feierlich schritten sie auf das Eingangstor des Wohnhauses zu. Birckmann grüßte und ließ den Ehrengästen den Vortritt. Deren niedere Gefolgschaft freilich wartete er nicht mehr ab.
Die Sporen des Finanzsekretärs klirrten auf dem Steinboden der Halle, Diener standen bereit, seinen Umhang entgegenzunehmen. Suchend und leicht verärgert schaute der Grande sich um. Wo war der Hausherr? Birckmann lächelte fein. Van Geldern, dieser luziferische Fuchs! Das mußte man ihm lassen, er verstand es, seine Macht zu demonstrieren. Mit vollendeter Grazie stand er, in prahlendes Rot gehüllt, am oberen Rand der Treppe, um von hier aus die Gäste zu empfangen. Neben ihm wartete Juliana, den hochmütigen Blick des Vaters kopierend. Angemessener wäre es gewesen, den Spaniern entgegenzueilen, doch van Geldern streckte nur langsam seine Rechte aus. Juliana lächelte hoheitsvoll, wie unter sanftem Zwang.
Der Spanier und sein Vertrauter gingen ihnen langsam entgegen, so als überlegten sie jeden Schritt. Es ist, als träfen Könige aufeinander, dachte Birckmann kopfschüttelnd und befreite sich aus einem mit Marder gefütterten Umhang.
»Ich heiße Euch willkommen in meinem Haus, Don Cristobal, Euch und alle Diener Ihrer hochverehrten Durchlaucht, Margarethe von Parma, Regentin der Niederlande. Es ist mir eine Ehre und Freude, Euch zu empfangen und zu bewirten. Meine Tochter.«
Juliana neigte sehr tief das Haupt, deutete geschmeidig einen Knicks an. Eine wie zufällig gelöste Strähne ihres Haares fiel in ihren Ausschnitt, der nach italienischer Mode tief geschnitten war.
Das ist wohlkalkuliert, dachte Birckmann, eine berechnende Person, ganz wie der Vater. Er suchte den Flur hinter der Treppe ab. Ihm war danach, die andere Tochter zu entdecken, die er bei weitem reizvoller und unterhaltsamer fand. Columba war zwar nicht wirklich gebildet, sie sprach kaum Latein, aber von lebhaftem Geiste.
Don Cristobal behielt seine strenge Miene, während er die blonde Verführerin und ihre reine, nach Seife und Veilchen duftende Haut betrachtete. Sie schien nicht nach seinem Geschmack. Was Wunder, sinnierte Birckmann, war man doch in Spanien der Ansicht, daß nur Huren und Kranke badeten. Den Mauren von Granada hatte man diese arabische Sitte gleichzeitig mit ihrer Religion verboten, selbst König Philipps Gattin, die junge Französin Elisabeth von Valois, mußte Krankheit vortäuschen, wollte sie in ihre silberne Wanne steigen, die sie über die Pyrenäen bis nach Madrid hatte tragen lassen.
Don Cristobals Begleiter schien weniger kritisch, was das Baden betraf. Mit auffallendem Interesse
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