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Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Wertheim
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Gesellschaft reckte die Hälse, um die weibliche Entsprechung dieses Gecken kennenzulernen. Einige Frauen tuschelten und kicherten. Juliana lächelte schadenfroh. Diese Schmach tat Columba nur recht. Und tatsächlich empfand Columba die Ankündigung als Schmach. Es war ihrem Gesicht deutlich anzusehen, als sie den Saal betrat und sofort zur Seite wich. Arndt van Geldern gab seinen Musikern ärgerlich ein Zeichen. Was für eine Frechheit des Freiherrn seine Tochter so selbstverständlich als sein Fräulein zu bezeichnen! Freilich, die Heirat war auch für den Kaufherrn beschlossene Sache. Gerade nach dem heutigen Tag lag ihm daran, Columba so rasch wie möglich aus seinem Haus und aus Köln zu entfernen. Aber so selbstverständlich sollte man eine van Geldern auch wieder nicht nehmen, es bedurfte noch der Verhandlungen. Zu wohlfeil wollte er selbst Columba nicht hergeben, gerade jetzt nicht, und schon gar nicht an einen adligen Gecken, der zwar interessante Privilegien besaß, aber auch unter einer drückenden Schuldenlast litt.
    Van Ypern verstummte erstaunt, als die Musik heftig einsetzte, dann zuckte er die Achseln und drehte sich nach Columba um. Die aber hatte die Gelegenheit genutzt und war neben Birckmann an die Tafel geschlüpft. Der Freiherr war schnell getröstet beim Anblick des saftstrotzenden Ochsen, der nun hereingetragen wurde. Blattgold schmückte seine Hörner. Händereibend folgte der Freiherr dem Rindvieh.
    »Was für ein farbenfroher und munterer Auftritt«, bemerkte Birckmann mit leiser Ironie. Columba verdrehte die Augen voll Abscheu.
    Der Prediger mißverstand. Behaglich beugte er sich vor. »Ich verstehe die junge Dame«, sagte er, »auch mir sind die flämischen Adligen zuwider. Ausschweifende Verschwender, Spieler, Modetoren und nur im Zechen tapfer.« Wie zur Bestätigung schüttete der bunte Geck am gegenüberliegenden Tisch gerade seinen zweiten Becher voll und stürzte den Inhalt hinunter. »Wie gesagt«, kam es voll trockener Abscheu vom Jesuiten, »im Zechen tapfer, in der Religion schwach. Reden von Religionsfreiheit, wie dieser Egmont, dieser Wilhelm von Oranien, die das Volk aufwiegeln. Alles gelogen! Diese Herren Fürsten denken nur an ihr eigenes Wohlleben, ihre Privilegien und wollen Philipp vom Thron stoßen. Dafür sind sie bereit, Gott zu verleumden. Ihr tut recht, mein Fräulein, wenn Ihr so einen mit Verachtung straft. Seid fest im Glauben und tüchtig im Gebet.«
    Columba, die bis dahin höflich zugehört hatte, wandte sich abrupt ab und verlangte laut: »Mehr Wein.«
    Birckmann verbiß sich ein Lächeln und bemühte sich, die Mißbilligung des Predigers zu dämpfen. »Hochwürden, heute ist ein Abend des Feierns, er hat keine Zeit für Disputationen, die Jugend fordert ihr Recht.« Er sprach mit der Nachsicht eines Mannes, der den Seelen nur das Wenige abverlangte, was zu geben sie bereit waren. Man konnte sich die Frommen nicht backen wie Brezelmännchen.
    Dem Prediger mißfiel es, er schwieg. Wieder so ein ekles Beispiel der humanistischen Toleranz; dieser Birckmann war gewiß ein Freund dieses Gelehrten Cassander. Der war ein dummer Religionsversöhner und Feind der Jesuiten. Hier zu Köln schrieb und lehrte er, daß man Protestanten und Katholiken mit ein wenig Toleranz versöhnen könne. Toleranz? Pah, es ging um den einen, den einzigen Gott und die ewige, die hierarchische Kirche.
    Ihm gegenüber erhob sich nun Juliana von ihrem Platz, strich mit zarter Geste ihr goldschimmerndes Mieder glatt, wobei sie wie unabsichtlich die üppigen Formen ihres Körpers nachzeichnete. Ihre Geste war nicht verschwendet, die Blicke der Festgesellschaft ruhten auf ihr. Sittsam schlug sie die Augen nieder, ihre Lippen bebten leise.
    Arndt van Geldern erhob sich und verkündete mit stolzer Stimme: »Meine Tochter Juliana wird nun für uns musizieren, bringt die Laute!«
    Zwei Diener, Knaben noch, eilten herbei. Ihre schlanken Leiber waren in weiße Tuniken gehüllt, so als seien sie kleine, heidnische Waldgeister aus den Wäldern Kretas. Man applaudierte. Melina kniete sich – im leichten Gewand einer libyschen Sklavin – vor ihre Herrin und reichte ihr die Laute. Einige Kanonissen sogen halb mißbilligend, halb wollüstig den Atem ein. Juliana nahm zwischen den Knaben Platz, die nach antiker Sitte einen Bogen aus Eibisch und trockenem Lorbeer über sie hielten. Weich schlug Juliana die Saiten an.
    »Ein Engel, fürwahr ein Engel«, flüsterte der Freiherr von Ypern laut und schenkte

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